Sterbehilfe für Floristen

Nach dem leicht mißglückten Erstlingswerk "Böse Wichte" versucht Gerry O´Brien jetzt mit "Heiliger Schein" erneut die Herzen der Pratchett-Fans zu erobern. Vielleicht klappt es ja diesmal.

Erinnern Sie sich noch an die verrufenste Gegend Londons? Dort, wo man nach Sonnenuntergang auf keinen Fall spazierengehen sollte und sich nicht einmal die Polizei sicher fühlt? Ja, ganz genau, die Rede ist vom Borough. Selbst richtig "Böse Buben" hat dieses verruchte Viertel bereits Kopf und Kragen gekostet.

Mit seinem neuesten Roman "Heiliger Schein" entführt uns Gerry O´Brien nun schon zum zweiten Mal in den liebenswerten Sündenpfuhl. Diesmal dreht es sich jedoch nicht um einen telepathisch veranlagten Diamanten, sondern um einen exklusiven Computerchip sowie den toten Klostergärtner, dessen Leichnam sich selbstständig gemacht hat. Dann wären da noch ein paar minderbemittelte Gangster, ein korrupter Stadtrat, ein unerfahrener Mönch, eine ehrgeizige Journalistin, ein verrückter Abt und so weiter. Was diese Gestalten verbindet?

Nun, auf zum Story-Marathon: Gangster stehlen Computerchip, Chip geht in der Erde des Klostergartens verloren, unerfahrener Mönch füttert Gärtnerleiche mit Erde, Chip will Kontrolle über Leichnam übernehmen, Leiche macht sich aus dem Staub, Abt will zwecks Tourismusattraktion ein Wunder daraus machen, Leiche buddelt sich im Garten einer ehemaligen Geliebten ein, alle suchen Leiche. Wie bitte, das klingt ein wenig verrückt? Dann sollten Sie erst einmal den Rest lesen!

War O´Briens Erstling noch eine zusammenhanglose Mixtur aus Pseudohumor und verkrampft exzentrischen Figuren, so läßt die Lektüre von "Heiliger Schein" Hoffnung aufkommen. Der fiktive Borough beginnt realistische Züge anzunehmen, und auch die Charaktere sind inzwischen glaubwürdiger geworden. Die Geschichte selbst ist voll subtil- verrücktem Humor und braucht den Vergleich mit dem Pratchett von heute auf keinen Fall zu scheuen. Wenn man jedoch bedenkt, daß O´Briens Karriere gerade erst angefangen hat, während Pratchett sich nur noch selbst kopiert, könnte es durchaus passieren, daß die langweilig gewordene Scheibenwelt eines Tages ihren Platz an den Borough abtreten muß.

Obwohl Gerry O´Briens humoristisches Talent zweifellos noch in den Kinderschuhen steckt, läßt "Heiliger Schein" erstmals das Potential erkennen, das in dem Engländer schlummert. Weiter so!

Zur Zeit liegen noch keine Kommentare vor.



Über den Autor:
Gerry O´Brien lebt mit seiner Familie in Winchester. Bevor der 43jährige seine Berufung als Schriftsteller fand, war er bei einige Jahre bei der britischen Armee, versuchte sich als Schreiner von Puppenstuben und wurde nach der Veröffentlichung einiger Romane schließlich von Colin Smyth, dem Agenten Terry Pratchetts, entdeckt. "Heiliger Schein" ist sein zweiter Roman.