Terry Zwigoffs schräg-ironische Teenager-Komödie "Ghost World" ist großartig besetzt, witzig und wahrhaftig - und steckt voller cooler Kuriositäten.
Nach dem Highschool-Abschluß versuchen Enid ("American Beauty"-Star Thora Birch) und Rebecca (Scarlett Johansson), ihr weiteres Leben zu planen. Sie haben sich längst vom Mainstream-beherrschten schulischen Treiben abgesondert, wollen nicht aufs College, sind sozusagen Außenseiter. Mit ihrem daraus entstandenen trockenen Zynismus geht allerdings ein Mangel an Perspektiven einher, und diesem denken sie entfliehen zu können, indem sie sich normale Jobs suchen und eine gemeinsame Wohnung nehmen. Enid, bestückt mit dicker Brille und ein paar Gramm zuviel, hat ihren individuellen Stil bei Kleidung und Vorlieben weit entwickelt: Sie steht auf schräge, ausgefallene Sachen, ohne dabei zu übertreiben, und ist attraktiv, ohne dem üblichen Schönheitideal zu entsprechen. Rebecca dagegen kommt näher an das Plakatwand-Mädchen heran und ist angepasster, normaler, braver und leicht phlegmatisch.
In der einstweilen noch reichlich vorhandenen Freizeit begeben sich die Mädchen auf Erkundungstouren, bei denen die in der Pubertät übliche sexuelle Neugierde stets als treibende Kraft fungiert. Sie spielen mit Kleinanzeigen herum und verabreden sich mit Seymour (Steve Buscemi), den sie heimlich beobachten und zum absoluten Loser abstempeln. Aber Enid kann ihrem Interesse an dem alten, wenig attraktiven und schäbig gekleideten Seymour nicht lange widerstehen. Sie findet heraus, daß er leidenschaftlicher Sammler von alten Blues-Shellacks ist, und Seymours Musik geht Enid so zu Herzen, daß sie beschließt, ihm eine Frau zu suchen. Während Rebecca sich um eine Wohnung kümmert, tatsächlich einen festen Job annimmt und sich immer mehr in Richtung Bürgerlichkeit entwickelt, taucht Enid ein die schräge, oberflächlich völlig vernerdete Sammler-Szene ein und freundet sich eng mit Seymour an...
Filme dieser Art leben von ihren Dialogen, Charakteren und Situationen, und darin war schon die Comic-Vorlage von Daniel Clowes meisterhaft. Deren Figuren sind durch Birtch, Johansson und Buscemi perfekt vertreten, umgeben von einfältigen Freunden, weltfremden Eltern und Freaks aller Art (unvergesslich: der eigentlich harmlose Kung-Fu-Redneck im Supermarkt). "Ghost World" beinhaltet alles, was wirklich großes Kino ausmacht: Romantik und Sex, Humor und Späße, einprägsame Typen und nachvollziehbaren Realismus. Der Unterschied zum Mainstream-Kino liegt darin, daß es nicht um die glatten, schönen, erfolgreichen Goldenen Jungs und Mädels Amerikas geht, sondern um normale Leute mit ausgefallenen Vorlieben und Hobbies - und um Menschen, deren Paarungs-Marktchancen durch die Besonderheit und Andersartigkeit ihres Charakters klein bleiben, obwohl sie liebevoll, symphatisch und gutmütig sind.
Terry Zwigoff, der dank seiner Dokumentation "Crumb" (über einen genialen, geistig labilen Cartoonisten) eine kleine Legende ist, gelingt mit seinem ersten Spielfilm eine hinreißend symphatische Teenager-Komödie, die stets ein hohes geschmackliches Niveau hält, ohne jemals die Wahrheit zu verschleiern. "Ghost World" ist ein für nahezu alle Interessensgruppen sehenswertes Feelgood-Movie. Pflicht.