Protestalbum

Der junge Musiker Kurt Dahlke alias Pyrolator, ehemals Mitglied der legendären Deutsch-Amerikanischen Freundschaft und später einer der Hauptakteure der Avantgarde-Pioniere Der Plan, schuf mit "Inland" Ende der siebziger Jahre ein Protestalbum gegen den damaligen politischen Neokonservatismus.

Heute, über zwanzig Jahre später, beeindruckt diese Platte noch immer durch ihre musikalische Ausdruckskraft. "Inland" erschien zum ersten Mal im Jahr 1979, kurz nachdem Dahlke seine Band DAF verlassen hatte. Da er seinen Kollegen nicht nach England folgen wollte, um dort einen Plattenvertrag zu bekommen, konzentrierte er sich auf seine Soloarbeit, kaufte eine Menge elektronisches Gerät ein (darunter natürlich den Klassiker unter allen Synthesizern, den Korg MS20) und arbeitete an seinem ersten Album unter dem Namen Pyrolator.

Beeinflusst wurde er damals vom politischen Klima in seinem Heimatland. Der "Deutsche Herbst" bedeutete neuerliches Auf- und Wettrüsten, eine konservative Regierungspolitik und Angst vor einem atomaren Krieg. Auch in anderen europäischen Ländern wurde Musik damals stark vom Tagesgeschehen beeinflußt: Bands wie Wire, Gang of Four oder The Pop Group agierten politisch motiviert und nahmen zu aktuellen Entwicklungen lautstark Stellung.

Pyrolator wollte sein Protestalbum anders gestalten als seine britischen Kollegen. Statt vieler Worte sollten Sounds die Message transportieren, Bilder im Kopf entstehen lassen und die kritische Haltung ihres Schöpfers zum Ausdruck bringen. Der Titel war Programm und ein Hinweis auf kulturelle, soziale und politische Phänomene der späten Siebziger in Deutschland.

Beeinflußt wurde Dahlkes Musik durch seinen damaligen Lebensstil. Wohnhaft in einem kühlen Industrieloft, besuchte er in der Nacht leer stehende Fabrikanlagen und pilgerte zu Konzerten seiner Lieblingsbands nach England. Zusätzlich begann er in der Wuppertaler Galerie Art Attack mitzuarbeiten, aus der bald darauf das hauseigene Label "Atatak" hervorging.

Musikalische Vorlieben zu jener Zeit waren Brian Enos legendäre "Obscure"-Serie, der englische Komponist David Cunningham und die Arbeiten der damals aufkommenden Minimalisten wie Steve Reich, Terry Riley oder La Monte Young. Und genau das hört man auch beim Anhören dieses gewaltigen Longplayers: schwebende, sonore Basssounds, sich überlagernde und kommuniziernde Synthesizer-Klänge dröhnen gewaltig aus den Lautsprechern und lassen dabei glücklicherweise die typischen New-Age-lastigen Kitsch-Melodien vermissen, wie sie zu jener Zeit beispielsweise von Klaus Schulze oder Tangerine Dream immer wieder eingebaut wurden.

Die ganze Platte klingt wie ein Soundtrack zur damaligen Zeit und reflektiert auch die triste Ästhetik der Industrial-Generation, die sich zur selben Zeit in Großbritannien zu formieren begann. Überraschend ist dabei die Kraft, die "Inland" auch noch heute an den Tag legt. Keine Sekunde lang hört man der CD an, daß sie vor über zwanzig Jahren produziert wurde. Und daß dem originalen Album dann noch sechs Bonustracks beigefügt wurden, das läßt das Herz des Musikfreundes noch einmal höher schlagen.

Das Werk wird übrigens zum Midprice in den Läden angeboten. Was für einen Grund gibt es jetzt noch, sich diese Platte nicht zu kaufen?

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