Linda Fallon und Thomas Janes, beide Anfang 50, treffen einander nach 26 Jahren auf einem Lyrikkongress wieder. Sofort stellt sich die Vertrautheit, Anziehungskraft und Zuneigung ein, die es schon vor vielen Jahren zwischen ihnen gegeben hat.
Eigentlich begann ihre Liebesgeschichte, als sie 17 Jahre alt waren und zur Schule gingen. Dann wurden sie von ihren Familien getrennt. Eine zweite Begegnung fand neun Jahre später in Kenia statt - das war auch das letzte Mal, dass sie sich gesehen haben. Seit damals hat sich viel verändert: beide hatten zweimal geheiratet, Lindas zweiter Ehemann Vincent starb an einem Schlaganfall, ihr Sohn Marcus ist homosexuell und - wie Linda während des Kongresses noch erfahren muss - Alkoholiker. Thomas´ Ehen scheiterten beide und seine kleine Tochter verunglückte bei einem Bootsunfall tödlich.
Ein bisschen viel an tragischen Ereignissen? Nun, sie werden noch zahlreicher und noch tragischer: Autounfall, Kindesmissbrauch, Fehlgeburten, Drogen. Zweifellos, Anita Shreves Roman soll berühren und zu Tränen rühren. Etwas zartbesaitete Leser/innen werden möglicherweise auch einige Taschentücher brauchen, denn Liebe und Leidenschaft, Trennung und Leid sind die Hauptthemen von "Der weiße Klang der Wellen". Aber die Melodramatik, der Kitsch und der Pathos sind für manchen Geschmack sicher zu übertrieben.
Nicht uninteressant ist der Aufbau des Romans in drei Teilen. Verkehrt chronologisch beginnt das Buch - wie schon erwähnt - mit Thomas´ und Lindas Treffen bei einem Lyrikkongress, wo sie in langen Dialogen die Vergangenheit aufleben lassen (beziehungsweise über ihr Leben erzählen). Der zweite Teil beschreibt die Ereignisse in den 70er Jahren in Kenia, als sie in einer kurzen, intensiven Affäre ihre Ehepartner betrogen. Und zum Schluss erfährt der Leser, wie sich die beiden im Alter von 17 Jahren in der Schule kennen gelernt haben.
Besonders am Anfang des Romans bedient sich die Autorin sehr einfacher - und auch wirksamer - Mittel, um die Spannung über lange Zeit aufrecht zu erhalten. Es werden unzählige Andeutungen über die Vergangenheit und bestimmte (natürlich tragische) Ereignisse gemacht oder Personen genannt, die nicht näher erklärt werden. Nach und nach kann der Leser die Puzzleteile zusammenfügen, bis klar wird, warum Thomas und Linda eigentlich nie ein Paar geworden sind, obwohl sie sich doch so sehr lieben und nie damit aufgehört haben (z. B. weil Thomas´ erste Frau ein Kind erwartete und er ihr eine Trennung nicht antun wollte).
Der wahre Grund, warum sie nie richtig zueinander gefunden haben, wird tatsächlich erst auf der allerletzten Seite enthüllt… und der Schluß bringt auch noch einen richtigen Überraschungseffekt. Wer es bis dahin schafft, kann sich zumindest von Anita Shreves Erzähltalent überzeugen. Als anspruchslose Urlaubslektüre ist dieses Buch sicher empfehlenswert, weil kurzweilig. Vom belletristischen Meisterwerk ist es jedoch weit, weit entfernt.
P.S.: Die deutsche Übersetzung des Titels ist an Blödheit kaum zu überbieten. Der geneigte Leser möge darüber gnädigerweise hinweg sehen. Der Originaltitel ist weitaus besser und vor allem treffender: "The Last Time They Met".
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