Russland 1996
Genre:
Krimi
Autor:
Andrej Kurkow
Verlag:
Diogenes
(Zürich 2001)
in dt. Sprache
142 Seiten
Wertung:
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Bedingt unterhaltsamer Stoff von Andrej Kurkow: Alltagsfrust und Sinnleere lassen einen 30-jährigen Russen die eigene Ermordung bestellen - dann stellt sich das Glück ein, aber der Mordauftrag ist nicht zu widerrufen.
Vielversprechend beginnt Andrej Kurkows dritter Roman "Ein Freund des Verblichenen": Tolja ist 30 Jahre alt und lebt in Kiew. Er ist unglücklich verheiratet, seine Frau hat einen Liebhaber und spricht nicht mehr mit ihm. Auch sonst bietet sein Leben nicht viel - keine Arbeit, keinen Spaß, keine Zukunftsaussichten. Ein sinnloses Leben - Tolja möchte tot sein. Er ist aber zu feig, um Selbstmord zu begehen. Durch Empfehlung seines ehemaligen Schulfreundes Dima - Tolja läßt ihn glauben, daß er einen Killer für den Geliebten seiner Frau sucht - findet er seine "Problemlösung" und bestellt diese für einen bestimmten Zeitpunkt in ein Kaffeehaus. Kurz vor dem "Stichtag" lernt Tolja aber die hübsche, immer fröhliche Lena kennen und verliebt sich in sie. Klar, daß er vom Sterben nichts mehr wissen will, vor allem weil Lena ihm etwas gibt, was er bei seiner Frau schon lange vermisste: Zweisamkeit und Geborgenheit. Und seiner Ansicht nach ist es sowieso "immer die heilige Pflicht" der Frauen, "die Einsamkeit der Männer zu bekämpfen." Tolja versucht, den Mörder abzubestellen - leider vergeblich. Unaufhaltsam nehmen die Ereignisse ihren Lauf...
... allerdings nicht so unterhaltsam, wie man es beim Durchlesen des Klappentextes erhofft hätte. Kurkow, bekannt für seine abstrusen Ideen (siehe auch in "Picknick auf dem Eis", in dem die Hauptfigur mit einem Pinguin zusammenlebt), bedient sich zwar einiger aberwitziger und absurder Ereignisse, mit denen er seinen "Anti-Helden" konfrontiert. Zum Beispiel geht Tolja auf ein Geschäft mit Dimas Chef ein, bei dem er als falscher Zeuge in einem Gerichtsverfahren als vermeintlicher Liebhaber von dessen Ehefrau auftreten soll. Dazu kommt es zwar gar nicht, aber allein für seine Bereitwilligkeit bekommt er einen Batzen Geld.
Situationskomik und einige unterhaltsame Effekte bereichern Kurkows Geschichte. Dennoch fehlt ein gewisser Schwung, um sie richtig flott zu machen. Die Ereignisse plätschern dahin, der Held stolpert durch sein Leben, tragische Verstrickungen scheinen einfach so an ihm vorbeizugehen. Seine einzige wirkliche Initiative ist die Kontaktaufnahme zur Frau seines Killers, die er näher kennenlernen möchte.
Der Autor lässt seine Figur sich selbst und seine Umgebung mit reichlich Ironie betrachten. Melancholie, die triste Stimmung in Kiew, die Trostlosigkeit der Lebensumstände, die Angst vor Einsamkeit und die Sehnsucht nach einem stabilen Leben prägen die Stimmung des Romans - ebenso wie der übermäßige Genuss von Kaffee und Wodka. Aber keine Angst: niemand stirbt an Alkoholvergiftung oder Herzflattern. Dazu ist die Geschichte zu unaufregend.
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