Einsamkeit und Trauer

Der österreichische Autor Stanislav Struhar beschreibt in seiner ersten Gedichttrilogie "Der alte Garten" die unglückliche Kindheit in seiner ehemaligen Heimat Tschechoslowakei und seine Verweigerung, als angepaßter Bürger in einem totalitären Staatssystem Fuß zu fassen.

"Der alte Garten" ist ein Gedichtband, der in einer ausdrucksstarken, knappen Sprache in pessimistischem Grundton von der Zeit seines Autors als Ostblock-Flüchtling erzählt. Struhar kam 1988 gemeinsam mit seiner Frau nach Österreich und verbrachte die ersten eineinhalb Jahre ohne Arbeitsbewilligung in diversen Auffanglagern. Der gemeinsame Sohn mußte damals bei den Großeltern bleiben und dufte erst zwei Jahre später, nach der politischen Wende, seinen Eltern in die neue Heimat folgen.

Der Autor beschreibt diese Zeit des Wartens als "Ein Stück Tod", und so ist auch der Name des ersten Teils der Trilogie "Der alte Garten". Struhar erzählt darin von seiner unglücklichen Kindheit in der kleinen mährischen Stadt Zlin, in der er sich oft in eine Traumwelt flüchtete, um dem tristen Alltag als mittelmäßiger Schüler zu entkommen:

"Totalität"
Beim Anblick der Wirklichkeit
Vergaß ich stets zu leben
Wurde dann kuriert
Mit einem Aufenthalt in der Phantasie
In der sie mir
Geschichten ersannen

Nach zwei Selbstmordversuchen wird Struhar mehrmals in eine psychiatrische Klinik eingewiesen und lieblos und ineffizient behandelt. Die Scheidung seiner Eltern führt dazu, daß er wieder zu seinen Großeltern zieht, wie in der Zeit vor seinem sechsten Lebensjahr. Über seine spätere Adoleszenz schreibt der Autor:

"Dieses System hat meine Kindheit zerstört"
Schrie ich einmal in den Himmel
Und das ganze Leben
Wurde ich dann begleitet
Von dem erschlagenden Widerhall"

Der letzte Teil der Trilogie widmet sich den ambivalenten Gefühlen, die Struhar zu Beginn in seiner neuen Heimatstadt Wien begleiteten. Durch die Last, den Sohn in Mähren zurückgelassen zu haben, kommt in der jungen Familie keine Freude oder Erleichterung auf, und es bleibt unmöglich, mit der problematischen Vergangenheit abzuschließen:

"Ein Stück Wien (Tod, Leben)"
Warum kann ich meine Wurzeln nicht ausreißen
Und nur im Licht über mir bleiben
Warum kann ich keinen Weg finden
Der nicht im Kreis herumführt
Warum hat die Welt vor meinen Augen
Nirgendwo ein Ende

Der Verlag zollt der Tatsache, daß die Gedichttrilogie vor der Flucht des Autors auf tschechisch geschrieben wurde, mit der Herausgabe eines zweisprachigen Bandes Respekt, und sowohl Vor- als auch Nachwort sind ebenfalls in beiden Sprachen abgedruckt. Die gelungene Übersetzung besorgte Jan-Peter Abraham, der auch eine interessante Kurzbiografie des Autors beisteuerte.

Struhar hat seit seinem Erstlingswerk auch noch einen Roman in seiner Muttersprache verfaßt, der im Frühjar unter dem Titel "Das Manuskript" beim Drava-Verlag erscheinen wird. In diesem behandelt er das Problem seiner Zweisprachigkeit und die daraus entstehenden Schwierigkeiten beim Schreiben. Seit er in Wien lebt und arbeitet, sind vier weitere Werke auf deutsch entstanden, die dem Bereich der Kriminallitertaur zuzuordnen sind. Und man darf schon jetzt gespannt sein, wie sich der junge Autor in diesem Genre zurechtfinden wird.

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oda
(oda, 18.06.2004 22:35)



Über den Autor:
Stanislav Struhar wurde 1964 in der südmährischen Stadt Zlin geboren. Nach einer unglücklichen Kindheit flüchtet er gemeinsam mit seiner Frau im Jahr 1988 nach Wien. Neben der Gedichttrilogie "Der alte Garten" vefaßte er auch weitere Werke in Romanform, die in naher Zukunft auf deutsch erscheinen werden. Der Autor arbeitet in Wien als Buchhändler.