Großmutter, warum hast du so einen Großen?

Neil Jordans "Zeit der Wölfe", eine modern-traumartige Neuinterpretation des Rotkäppchen-Themas mit psychosexuellem Grundtenor, ist für die Ewigkeit auf DVD erschienen.

Im dritten Jahrtausend hat Neil Jordan zwar bereits zwei Filme gemacht - "Not I" und "Double Down" -, aber seine weitaus bekannteren Werke stammen aus den 90er Jahren. "Das Ende einer Affäre", "In Dreams", "The Butcher Boy", "Interview mit einem Vampir" oder "The Crying Game" erschienen zwischen 1992 und 1999 und verschafften ihrem Schöpfer weltweite Berühmtheit, Zugang zu Hollywood und unzählige Auszeichnungen (auch einen Oscar). Er ist allerdings schon viel länger im Geschäft - und seit seinem zweiten Film "Zeit der Wölfe" von 1984 eine fixe Größe im Weltbild gut informierter Filmfreunde. Der Film hatte ihm damals den Ruf eines Kunst-Kult-Regisseurs eingebracht - ausnahmsweise nur im positiven Sinn, allerdings wird sein Schaffen dieser Bezeichnung längst nicht mehr gerecht. Was aber nichts an der Zeitlosigkeit dieses bemerkenswerten Films ändert, der sich endlich auch (neu überarbeitet und gemastert) auf DVD anbietet.

Rotkäppchen heißt hier Rosaleen und ist gerade an der Grenze zwischen Kindheit und Adoleszenz angekommen, unerfahren, ahnungslos, neugierig und ängstlich. In ihren schwülstigen Pubertätsträumen treiben sich ganze Rudel von (Wer-)Wölfen herum, die ihr im finsteren Wald unter den Rock wollen. Natürlich ist die märchenhafte, episodenartig erzählte Story nicht so platt, wie das klingt: Jordan zeigt sich seiner damaligen (gräßlichen) Zeit weit voraus bzw. beinahe zeitlos abgehoben, übt sich gekonnt in mehrdeutiger Symbolik und freudschen Anspielungen und läßt unter nahezu völligem Verzicht auf Primärreize eine unterschwellige, aber stets höchst präsente erotische Grundstimmung entstehen, gepaart mit weichgezeichnetem Horror und mittelalterlichem Ausstattungsstil. "Zeit der Wölfe" wirkt wie ein surrealistischer Fiebertraum, wie eine Mischung aus Goya- und Bosch-Gemälden und den düsteren Stilelementen von Tim Burton oder David Lynch.

Die Geschichte, nach der Jordan das Drehbuch verfaßte, stammt von Angela Carter, die sich in den 70er und 80er Jahren mit der Neuverfassung von Märchen- und Mythenthemen aus weiblicher Sicht einen Namen machte - was sicher auch bedeutet, daß ihr Werk feministische Züge trägt. Demenstprechend stark vertreten ist eine eher feminine, manchmal maternale Symbolik, und es drängt sich stellenweise gar auf, manche Elemente als Sinnbilder für Menstruationsblut und andere Körperflüssigkeiten zu interpretieren.

Aber abgesehen vom kopfschwangeren Herumanalysieren ist "Zeit der Wölfe" ein optisch bestechender, verwirrender und nachhaltig wirkender Film, der locker mehrere Begutachtungen standhält.

Deshalb gibts den Film auch dreimal im EVOLVER zu gewinnen - einfach hier klicken und mitmachen!

Alle 2 Kommentare ansehen

gutes FIlm!!
(sol, 14.01.2006 02:12)

Wölfin
(sonja, 20.10.2006 10:44)