Italiens Starregisseur Nanni Moretti spielt selbst die Hauptrolle in seinem Film "Das Zimmer meines Sohnes" - und wurde dafür nicht unverdient mit der Goldenen Palme von Cannes geehrt.
Der gut situierte Psychoanalytiker Giovanni (Nanni Moretti) führt mit seiner Frau Paola (Laura Morante) und seinen beiden heranwachsenden Kindern Irene (Jasmine Trinca) und Andrea (Guiseppe Sanfelice) ein friedliches, behütetes Familienleben in Ancona. Die alltägliche, intensive Auseinandersetzung mit den Marotten und Qualen seiner Patienten kompensiert er mit Büchern, Musik und Joggen. Als er eines Nachmittags von einem Patienten dringend zu einem Notbesuch gerufen wird, verzichtet er auf den Stadtlauf mit seinem Sohn. Andrea geht stattdessen mit Freunden zum Tauchen - und kommt bei einem tragischen Unfall um. Mit einem Schlag ist im Leben der Familie nicht mehr wie vorher; das unerträgliche Leid stürzt alle in eine tiefe Krise, aus der es kaum ein Entrinnen zu geben scheint.
Mit erstaunlicher Beiläufigkeit, ohne jeglichen Betroffenheitskitsch und mit einer Realitätsnähe, die stellenweise schwer zu ertragen ist, verfolgt der Film seine Protagonisten in einen psychischen Ausnahmezustand ohne Ausweg. Abgeschnittene Hände, zerplatzende Köpfe und heraustretende Eingeweide sind ein Witz im Vergleich zu jener Szene, wo sich die Mutter schreiend vor Verzweiflung im Bett wälzt - oder den zahlreichen Szenen, wo der Schmerz die Betroffenen praktisch verrückt macht und zu Verhaltensweisen zwingt, die von Außenstehenden nur noch bedauert werden können.
Das zentrale Thema dieses Films sind seelische Wunden, und er versteht es außergewöhnlich gut, zu verdeutlichen, wie langsam und schwer diese wieder verheilen. Der Film behandelt die Psyche wie ein Organ, das extrem empfindlich auf Verletzungen reagiert. Danach wünscht man sich wirklich, daß diese Art von Grausamkeit nicht willkürlich verteilt und keine rein statistische Angelegenheit ist. Hier ist auch eine kleine Schwäche des Films versteckt: Wenn man davon ausgehen möchte, daß im Leben jeder das bekommt, was er verdient, gibt er nicht genug Hinweise auf mögliche Gründe, die es rechtfertigen würden, der betreffenden Familie derartiges Leid zuzufügen. Hat wirklich alles seinen Grund und seinen Sinn? Zumindest regt "Das Zimmer meines Sohnes" an, darüber nachzudenken. Und man kann sich glücklich schätzen, wenn einem derartiges bislang noch nicht widerfahren ist. Jeder, der nämlich selbst schon kleinere Stichwunden und Hiebe auf die eigene Seele hinnehmen mußte, wird wissen, daß er alles andere vorziehen würde...
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