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So mystisch der Titel "Bis ins kalte Grab" auch klingt, so realistisch (und leider oft auch alltäglich) ist der Inhalt des vorliegenden Kriminalromans: Vergewaltigung, Mißhandlung in der Ehe, die Probleme alleinerziehender Mütter und das Dasein als Anwältin.
Der Thriller beginnt mit einem Alptraum: Eine Frau wird brutal von einem (ihrem?) Mann mißhandelt. Schnitt.
Staatsanwältin Kathryn Mackay ist eine alleinerziehende Mutter und mit dem Cop Dave Granz liiert. Als sie sich am amerikanischen Unabhängigkeitstag treffen, währt die Freude an den Paraden nur kurz, da die beiden ins Leichenschauhaus gerufen werden. Der bekannte und erfolgreiche Anwalt Lawrence Lancaster wurde aufgefunden, beinahe bis zur Unkenntlichkeit verkohlt. Wie sich herausstellt, ist er nicht zufällig verbrannt - im Kopf der Leiche steckt eine Kugel.
Wer hat Lancaster auf dem Gewissen? Ist seine ehemalige Sekretärin und jetzige Ehefrau Anne Lancaster die Mörderin - oder ein Opfer häuslicher Gewalt, das sich gegen seinen Peiniger wehrte? Mackay klagt die Frau des Verbrechens an. Die Verteidigerin Angela Bickell wiederum plädiert im Prozeß auf das "Battered Women´s Syndrome", ein Verhaltensmuster, das speziell mißhandelte Frauen aufweisen. Wird eine Frau lange genug geschlagen, führt das zu einem Geisteszustand, in dem sie sich nur mehr als Opfer sieht. Der einzige Ausweg aus diesem Dasein ist das Töten des Mißhandlers. Die beiden Anwältinnen fechten im Gerichtssaal ein spannendes verbales Duell aus. Dabei tun sich Abgründe von körperlicher Gewalt durch den Ehemann auf - allerdings in einer anderen Beziehung, die den Schlüssel zur Aufklärung des Mordfalls bildet.
Während Kathryn Mackay damit beschäftigt ist, trifft ihr Gefährte Dave Granz bei einer Zeugenbefragung auf Julia Soto, eine alte Liebe. Er hat die Frau vor einigen Jahren verlassen; trotzdem kommen sie einander jetzt wieder näher. Als Granz später merkt, daß die Affäre keine Zukunft hat, zieht er sich von Julia zurück. Daraufhin erhält er Rosensträuße und flehentliche Anrufe, sein Auto wird demoliert und mit rosaroten Luftballons verziert, und die verstoßene Geliebte bezichtigt ihn der Vergewaltigung. Wobei das alles eigentlich erst der Beginn des Alptraums ist...
Spannend ist, daß man sich bei der Lektüre dieses Thrillers stets in einer ungewissen Situation befindet. Schließlich gibt es nur eine Verdächtige, nämlich Anne Lancaster - und als "Beobachter" schwankt man zwischen Vermutungen und Beweislast. Daß allerdings eine Tonbandaufnahme, zu der die betreffende Person keine Zustimmung gegeben hat, letztendlich vor Gericht den Ausschlag gibt, erscheint doch etwas unrealistisch.
Christine McGuires Kriminalroman ist ein Beispiel dafür, daß man sich vom Titel eines Buches nicht abschrecken lassen sollte. "Bis ins kalte Grab" ist leider - wie so oft - eine unglückliche Übersetzung des Originaltitels ("Until the Bough Breaks") und findet inhaltlich keinen Anknüpfungspunkt. Daß McGuire selbst Anwältin ist, merkt man beim Lesen sehr deutlich - sie schafft es, den Ablauf einer Gerichtsverhandlung ohne langatmige Passagen zu beschreiben. Man ist gefesselt von der Art, wie Zeugen befragt werden oder ein Plädoyer vor Geschworenen gehalten wird. Wie werden Vergewaltiger überführt? Wie stellt man lang zurückliegende Mißhandlungen fest? Außerdem erfährt man in diesem Buch, warum das Vortäuschen eines Brandes keine sehr gute Idee ist, wenn man den "perfekten Mord" begehen will...
Alles in allem ist der vorliegende Krimi zwar nicht gerade ein Meisterwerk, aber durchaus spannende Lektüre für zwischendurch. Und mehr ist manchmal gar nicht erforderlich.
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