Der von Viennale-Direktor Hans Hurch als "gefährlich" eingestufte und mit höchsten Auszeichnungen bedachte neue Film von Michael Haneke ist eine traurige, misanthrope Krankengeschichte: "Die Klavierspielerin" entstand nach einer Romanvorlage von Elfriede Jelinek.
Die angesehene Klavierprofessorin Erika Kohut (Isabelle Huppert) unterrichtet am Wiener Konservatorium, wo sie ihren Schülern in erbarmungsloser Strenge beibringt, Emotionalität und Gefühl in die Musik einfließen zu lassen. Dieser Widerspruch zieht sich auch durch ihr Privatleben. Mit ihrer renitenten Mutter (Annie Girardot) teilt sie sich in Haßliebe und gegenseitiger Abhängigkeit Wohnung und Bett. Ihr stockbiederes Dasein zwischen jungen, von ihren ambitionierten Eltern ausgebeuteten Klavierschülern und verbohrten Hochkultur-Bildungsbürgern kompensiert sie mit einem Doppelleben zwischen Peepshow-Videokabinen, S/M-Phantasien und autoerotischen Verstümmelungen im Intimbereich. Eine kranke, kaputte Frau ist diese Kohut, bösartig und kalt geworden durch falsche Erziehung, ein zwangsbeherrschtes soziales Umfeld, jahrzehntelang unterdrückte Emotionen und ein (höchstwahrscheinlich) lebenslanges Dasein als Jungfrau.
Da tritt eines Tages der junge Sunnyboy und begnadete Pianist Walter Klemmer (Benôit Magimel) in ihr Leben. Er verliebt sich in die bedeutend ältere Frau, umgarnt sie mit allen Mitteln, und obwohl sie ihm die kälteste aller Schultern zeigt, schafft er es, bei ihr als Student aufgenommen zu werden. Walter wittert bzw. vermutet nur die weiche, hingebungsvolle Seite unter der stahlharten Schale der Professorin. Tatsächlich ergibt sich eine Art Beziehung zwischen den beiden, in der aber alles schiefgeht und nichts funktioniert: Zuerst will sie ihn dazu bringen, sie nach den härtesten Regeln des Sadomaso zu demütigen und zu mißhandeln, dann - als er nicht bereit ist, dabei mitzuspielen - will sie sich ihm hingeben, aber da ist es schon zu spät. Das ganze eskaliert schließlich in einer ziemlich häßlichen Auseinandersetzung, die auch Walter zum Äußersten treibt.
Michael Haneke erzählt die Geschichte aus Elfriede Jelineks Roman filmisch nach. Wer einmal versucht hat, Jelinek zu lesen, dürfte wissen, daß das bereits ein Kunstwerk für sich ist. Abgesehen davon, daß Haneke selbstverständlich sein Handwerk beherrscht, gelingt ihm hier auch künstlerisch Bemerkenswertes: "Die Klavierspielerin" ist ein emotional mitreißender Film, getragen von hervorragenden Schauspielern (nur Magimels selbstverliebtes Dauergrinsen kann bisweilen die Nerven strapazieren) und extrem vielschichtig in den Dingen, die zwischen den Bildern transportiert werden. Dies allerdings ausschließlich im negativen Sinn: Die Charaktere sind bemitleidenswert, ohne Hoffnung auf Hilfe oder Heilung, und der Film eine geballte Ladung an Negativität und Hoffnungslosigkeit, wie er zum klassischen Wiener Hochnebelwinter nicht besser passen könnte - dagestellt mit bisweilen sehr drastischen Mitteln.
Das zentrale Thema ist die Unterdrückung von Sexualität und Emotionalität, was bekanntlich in ganz übler Weise geisteskrank macht. Einige der wichtigsten Kritiker der Welt haben in Cannes den Film mit dem Großen Preis der Jury und die Hauptdarsteller Huppert und Magimel mit den Goldenen Palmen ausgezeichnet. Es mag sich um ein Extrembeispiel für ein gesellschaftsdurchdringendes Problem handeln, aber für einen Film, der seine Zuseher hauptsächlich abstößt und das Leid seiner Protagonisten zur Schau stellt, ohne auch nur ansatzweise zu versuchen, mögliche Wege aus der Misere aufzuzeigen, scheint das etwas überzogen.
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