Im deutschsprachigen Raum wurde Marianne Fredriksson mit dem Bestseller "Hannas Töchter" bekannt. Der nun auf deutsch erschienene Roman "Eva" entstammt (ebenso wie "Abels Bruder" sowie "Norea") der in Schweden bereits 1980 veröffentlichten Trilogie "Kinder des Paradieses".
Das vorliegende Buch liest sich so, als wäre es von einer Frau verfaßt worden, die sich im hintersten Winkel ihres Gedächtnisses an den Garten Eden erinnert: märchenhaft, phantasievoll, paradiesisch. Es ist voll von Sehnsucht nach Liebe und Respekt und dem Suchen nach einem besseren Miteinander. Die biblische Version der Ereignisse ist bekannt; Fredrikssons Geschichte setzt ein, als Kain seinen Bruder Abel getötet hat. Eva unternimmt daraufhin eine Reise ins Land ihrer Kindheit - zum Waldvolk oder der Horde, wie sie auch genannt werden. Es ist ein Weg zurück in eine Welt ohne Worte, ohne Gedanken, wo das Leben nur im Jetzt stattfindet. Die Reise ist für Eva auch eine symbolische; und beschwerlich daran ist nicht nur der Weg durch die rauhe Natur. Eva sucht Verstehen, eine Erklärung für das furchtbare Geschehen - möglicherweise sogar Erkenntnis. Sie ist eine Suchende und letztlich eine Wissende, die ihren Weg geht.
Am Anfang ist es schwierig, sich in den berichteten Ereignissen zurechtzufinden; es fällt halt nicht gerade leicht, die traditionelle Leseweise des alten Testaments abzulegen. Aber schon nach wenigen Seiten erfolgt durch die Lektüre ein Eintauchen in eine andere Welt, wie sie auch gewesen sein könnte. Hier werden Menschen porträtiert, die auf der Suche nach so etwas wie Glück sind.
Eva ist mit dem Wesen der Welt um sich herum verbunden, mit dem Werden, Sein und Vergehen - viel mehr als Adam in der Beziehung zu seinem abstrakten Gott, in der Lebensferne und vielleicht auch Lebensfeindlichkeit sichtbar werden. Amüsant ist die im Roman gegebene Erklärung, wie es zur Entstehung von Mythen kommt: weil Menschen Erklärungen suchen, spielerisch, wie sie es gerade brauchen. In "Eva" entsteht auf diese Weise die Geschichte von der verführerischen Schlange. Um nichts weniger "wahr" müssen die Geschichten sein, die wir seit unserer Kindheit kennen, aber das ist immer auch eine Frage der Perspektive.
Fredikssons Sprache ist gekonnt erzählerisch, sie findet Worte für das schwer Beschreibbare, Unbegreifliche. Beim Lesen entstehen Bilder vom Leben in einer längst vergangenen Zeit, als viele verschiedene Lebensformen nebeneinander existierten und Menschen sich austauschten; aber auch damals wurden andere Menschengruppen schon willkürlich als unmenschlich bezeichnet. Gezeigt werden der Fortschritt, den Adams Eingottglauben in vielem gebracht haben mag, doch auch die Einschränkung, das Verlieren des wortlosem Verständnisses mit der Welt um den Menschen herum, die an einem Ort namens Paradies geherrscht haben mag. Fredriksson gelingt es, symbolische Orte als Realität festzumachen: das Paradies als Land und als Bewußtseinszustand.
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