"Harte Zeiten brauchen harte Bücher." Unter diesem Motto wurde 1999 die anspruchsvolle Krimireihe "DuMont Noir" gestartet. Scheinbar waren die Zeiten nicht hart genug - denn ein Jahr später war alles schon wieder vorbei. Jürgen Fichtinger und Peter Hiess interviewten den Herausgeber (und EVOLVER-Autor) Martin Compart über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der deutschen sowie der internationalen Krimilandschaft.
Wer eine halbwegs gutsortierte Buchhandlung besucht, der könnte annehmen, daß mit der Krimiszene im deutschen Sprachraum ohnehin alles in Ordnung ist. Doch der Schein trügt, wie so oft. Wenn man nicht gerade den x-ten Donna-Leon-Langweiler (für die Damen) oder einen dieser unglaublich banalen Tom-Clancy-CIA-Wälzer lesen will, greift man vielleicht zu Henning Mankell oder Wolf Haas - aber auch nur, weil die im Feuilleton so gern empfohlen werden. In der Wühlkiste daneben liegen unzählige Taschenbücher mit Frauenkrimis (= romantische Romane mit ein bißchen Blut), Trend-Nachzüglern (Wie viele Gerichtsmedizinerinnen und forensische Anthropologinnen will man uns denn noch zumuten?) und schlecht übersetztem Euro/Ethno-Schrott (Schluß mit den südländischen Ermittler-Lebenskünstlern!) herum. Und die paar Leute, die sich für Profis halten, geben sich mit zugegebenermaßen erstklassigen Autoren wie James Ellroy, Andrew Vachss und Kinky Friedman zufrieden, ohne zu ahnen, welche anderen internationalen Genre-Juwelen ihnen verborgen bleiben.
Vielen bleibt da nur die Möglichkeit, sich in Antiquariaten oder bei spezialisierten Buchhändlern auf die Suche nach Klassikern von Mickey Spillane, Jim Thompson und James Hadley Chase zu machen - oder sich relativ rat- und orientierungslos auf dem riesigen angloamerikanischen Markt umzusehen.
Martin Compart, der nicht umsonst als "Deutschlands Krimipapst" bezeichnet wird, erleichtert deutschsprachigen Lesern seit Beginn seiner Karriere die Qual der Wahl. Nach dem Motto "so dunkel wie möglich" sorgt der 1954 in Witten an der Ruhr geborene Populärkulturexperte dafür, daß die Schätze der Kriminalliteratur auch uns nicht länger verborgen bleiben. 1982 wurde er vom Ullstein-Verlag mit der Herausgabe der hauseigenen Krimireihe (die heute legendären und gesuchten Bücher mit dem roten K auf gelbem Grund) betraut und krempelte dort gründlich um. 1996 wechselte er dann zum Verlag Bastei-Lübbe, wo er drei Reihen entwickelte, deren wohl bekannteste die mittlerweile leider auch wieder eingestellte "Schwarze Serie" war. Nebenbei ist Compart als freier Journalist für "Weltwoche", "Spiegel", "TransAtlantik" und andere Printmedien - sowie natürlich auch für den EVOLVER - tätig.
1999 erhielt Martin Compart vom DuMont-Verlag den Auftrag, eine Krimireihe unter dem Titel "DuMont Noir" herauszubringen, mit der man ursprünglich den Markt für anspruchsvolle Hardboiled-Literatur erobern wollte. Bereits nach dem ersten Taschenbuch der Serie, Derek Raymonds "Die verdeckten Dateien", stand fest, daß hier etwas Außergewöhnliches passierte, das sich von den üblichen Hervorbringungen der Entertainment-Industrie deutlich abhob: Die Autobiographie des britischen Schriftstellers, voll kluger theoretischer Überlegungen zum Genre, hatte mit einem herkömmlichen Krimi ungefähr soviel zu tun wie die amerikanische Präsidentenwahl mit Demokratie.
Um Unkenrufe im Keim zu ersticken, schob der Herausgeber jedoch gleich ein paar überfällige Klassiker sowie einige "junge Wilde" nach. Auf diese Art bekam das deutschsprachige Publikum endlich Gelegenheit, Bekanntschaft mit Figuren wie Lovejoy oder Lew Griffin zu schließen und sich über echte Entdeckungen wie George P. Pelecanos oder Russell James zu freuen. Compart schaffte es mühelos, einen Bogen von grandiosem Pulp à la Harry Whittington über tiefgehende Grübeleien (Robert Janes) bis zum vergessenen deutschen Klassiker "Puma" von Ulf Miehe zu spannen. Und mit Armitage Trails "Scarface" veröffentlichte er noch dazu endlich den Roman, der erst Howard Hawks und später Brian De Palma zu ihren legendären Kino-Gangster-Epen anregte.
Leiderte scheiterte das vielversprechende Projekt nach knapp einem Jahr und nur 23 "Noir"-Bänden an Verlagsallüren. Darüber, über den Krimimarkt im allgemeinen und über seine neuesten Pläne berichtet Martin Compart im folgenden Interview.
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Warum?
(easy, 25.09.2001 01:13)
Re: Warum?
(jon doe, 01.10.2001 19:20)
Re: Re: Warum?
(Martin Compart, 02.01.2002 19:09)
Re: Re: Re: Warum?
(Tschombe, 19.06.2003 18:58)
Never Too Late
(Armin Träger:TraegersCorner@gmx.de, 07.01.2006 21:17)
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