Fortsetzung...

Die Musik war allerdings ein echter Schlag ins Gesicht. Der Lifeball war ja nie als Bannerträger progressiver Sound-Evolution bekannt, doch man konnte zumindest immer mit Beschallung durch kräftige House-Beats rechnen. Doch dieses Jahr wurden alle vier Dancefloors kollektiv mit mehr oder minder banalen Tönen traktiert: Happy Garage, 70s/80s/90s-Pop vom Anspruch eines YMCA, Euro-Dance usw. usf. So sympathisch, nett und professionell die anwesenden Ö3-DJs auch sein mögen, sie standen symbolisch für das (weil nicht der Natur des Events entsprechende) akustische Desaster des Lifeball 2001. Gerade eine Veranstaltung, die in Sachen Mode, Lifestyle und Glamour dringend benötigte neue Impulse zu setzen versucht, braucht für ihre Credibility eine passende musikalische Unterlage - und keine dem Massengeschmack in ängstlichem Gehorsam vorauseilenden "Boulevard-Tunes". Die Live-Auftritte von Cyndi Lauper (ja, die lebt wirklich noch!) und Lisa Stansfield (wer kann sich an die noch erinnern?) waren zwar höchst unterhaltsam, standen aber symptomatisch für das konzeptionelle Musikproblem.

Dennoch gab es in dieser Nacht viel zu sehen bzw. zu bewundern - egal, ob straight oder homosexuell. Und anders, als man es sonst in Wien gewöhnt ist, waren viele bereit, ihre ansonsten cool-steife, xenophobe (hier: unfreundlich gegenüber jedem, den man nicht persönlich bzw. aus den Medien kennt) Fassade fallen zu lassen und mit Fremden zu kommunizieren, zu flirten oder sogar ganz zur Sache zu gehen (soweit das in der Öffentlichkeit möglich ist). Das lag wahrscheinlich daran, daß so mancher glaubte, in dieser glamourösen, fast schon subversiv exzessiven, freakigen Umgebung den gängigen Klischees von massiver Extrovertiertheit und sexueller Offenheit Genüge tun zu müssen: ein seltener Fall von positivem Gruppendruck.

Amüsant, aber für die generelle Qualität des diesjährigen Lifeball kaum bedeutend, waren die Show-Einlagen. Es ist ein ähnliches Rätsel wie die geheimnisvolle Natur der ägyptischen Sphinx, warum Dagmar Koller insbesondere in der "Gay Community" so großes Ansehen genießt. Aber das muß man akzeptieren - was jedoch nichts daran ändert, daß ihr aktuelles Projekt (trashige Euro-House-Beats als neues Gewand für ihr typisches, nicht weniger schauriges Operettengesäusel) musikalisch wie ästhetisch eine Katastrophe war; mit dem "Zuckerguß" des grauenerregenden Leuchtens in Dagis Augen, sooft sie von ihrer Horde durchtrainierter, junger Tänzer in die Höhe gewuchtet wurde. Sowas muß doch wirklich nicht sein! Und auch die Einlage des amerikanischen Pornostars, die daraus bestand, daß er der Menge einige Minuten lang seine (zugegebenermaßen beeindruckende) Erektion in den unterschiedlichsten Ansichten präsentierte, hatte ihren Unterhaltungswert spätestens nach 45 Sekunden eingebüßt.

Bei allen Makeln ist der Lifeball aber weiterhin eine Institution, die ihresgleichen in der Welt erst einmal finden muß. Wien sollte dankbar sein, daß es ihn gibt. Denn ohne ihn wäre das Glam-Niveau dieser Stadt ein trauriges. Außerdem erfüllt der Mega-Event auch eine pädagogische Funktion: als 3D-Nachhilfe für Style, Ästhetik und glitzernde Popkultur - und als schicke Speerspitze für den Kampf gegen AIDS.

2002 kann kommen. Wir warten...



Zur Zeit liegen noch keine Kommentare vor.