Fortsetzung...
"Warum fliegen Sie nicht mit einem Team, das nur aus sowjetischen Wissenschaftlern besteht? Es ist doch ihre Rakete", fragt da etwa ein Journalist am Anfang von "Der schweigende Stern" den Projektleiter Arsenjew. Der gibt sich als vollendeter Kosmopolit: "Die Landung auf der Venus kann nicht nur die Sache einer einzigen Nation sein. Wir sind nicht nur in der Politik Internationalisten. In einer friedlichen Welt behalten wir unsere Erfolge nicht für uns." Und weil in der wirklichen Welt hinter den Kameras gerade Kalter Krieg gespielt wurde, setzten die sechs Drehbuchautoren als Beispiel für gelebten Internationalismus noch die sozialistische Mondbasis Luna 3 drauf. "Sie ist von uns nicht als Militärbasis verwendet worden", sagt Arsenjew stolz. "Und heute arbeiten dort Ingenieure und Physiker aus allen Ländern."
International - nein, natürlich internationalistisch - wollte die erste Science-Fiction-Produktion der DEFA um jeden Preis sein. Schon im Vorspann lernen wir "die japanische Ärztin" (gespielt von Yoko Tani) kennen, sowie "den amerikanischen Atomphysiker" (Oldrich Lukes), "den polnischen Chefingenieur" (Ignacy Machoweski), "den afrikanischen Fernsehtechniker" (Julius Ongewe), "den sowjetischen Astronauten" (Michail N. Postnikow), "den indischen Mathematiker" (Kurt Rackelmann), "den deutschen Piloten" (Günther Simon) und "den chinesischen Linguisten" (Tang Hua-Ta), sowie "viele Darsteller aus verschiedenen Ländern". Beeindruckend, auch wenn das indische Mathematikgenie in Wahrheit ein schlecht geschminkter Deutscher ist und der afrikanische Fernsehtechniker so klischeehaft Deutsch spricht, als hätte er bis kurz vor dem Start abgeschieden von der Welt in Onkel Toms Hütte gelebt. Ihm haben die Drehbuchautoren auch einen der schlimmsten Sätze in den Mund gelegt, die es im SF-Film überhaupt gibt: "Hab´ keine Angst", sagt Talua am Anfang von "Der schweigende Stern" beruhigend zu seiner Freundin: "Wir haben die beste Technik" - was etwa genauso schlimm ist, wie in einer Folge von "Raumschiff Enterprise" ein rotes Uniformoberteil zu tragen: Talua findet auf der Venus prompt den Tod.
Bonmot am Rande: In einer Nebenrolle dürfen wir auch Ruth-Maria Kubitschek bestaunen. Sie ist in einer kurzen Sequenz am Ende als Frau des "deutschen Piloten" zu sehen, der nicht von der Venus zurückkehrt. Der von Günther Simon gespielte Weltraumflieger heißt übrigens Raimund Brinkmann und hegt Gefühle für die "chinesische Linguistin" - und das erklärt auch, warum Ruth-Maria Kubitschek gar nicht so traurig dreinschaut, als sie vom Tod ihres geliebten Gatten erfährt. So sind sie halt, die Raimunds.
Unter der glatten, völkerverbindenden Oberfläche des Films geht übrigens ziemlich die Post ab. Für den Sowjetmenschen Arsenjew ist der US-Atomphysiker zwar ein "großer Kollege und Freund", dennoch werden die Vereinigten Staaten als leidlich reaktionärer Verein dargestellt (was in der Metaebene des sozialistischen Kinos in einem anderen Kontext steht als in der zynischen Wirklichkeit). "Ich wollte in Göttingen als deutscher Gelehrter arbeiten - aber die Braunen haben mich von der Universität vertrieben", sagt ein in die USA emigrierter Wissenschaftler. "Ich wollte hier die Atomenergie nutzbar machen - ich hab´ die Atombombe gebaut. Ich wollte nicht, daß sie abgeworfen werden würde - aber sie haben mich rumgekriegt." Auf den Punkt gebracht: Das Abenteuer der amerikanischen Kriegswissenschaftler "war Hiroshima"; das Abenteuer der neuen Generation ist jedoch der Weltraum.
Dies ist eine wunderschöne Conclusio, die allerdings nur im Kino relevant ist - denn im Wunderjahr 2001, in dem wir laut Stanley Kubrick eigentlich schon zum Jupiter fliegen sollten, ist der Weltraum kein Abenteuer mehr. Die USA haben sich mit George Bush, einem der dümmsten Menschen auf Erden, stattdessen nahtlos in das reaktionäre Klischee gefügt, das von "Der schweigende Planet" vorgezeichnet wurde. So kommt eben eines zum anderen.
Die von Icestorm veröffentlichte DVD-Edition des Streifens glänzt zwar durch gute Bild- und Tonqualität und zeigt sich auch in Sachen Ausstattung recht bemüht - aber das alles kann über technische Unzulänglichkeiten nicht hinwegtäuschen. Wählt man beispielsweise den Menüpunkt "Special Features", so führt kein logischer Weg zurück zum Hauptmenü. Diese Hürden kann man zwar mit der Fernbedienung des DVD-Players überwinden, doch sie trüben trotzdem sie den Gesamteindruck.
Von der DEFA-Edition dürften sich vor allem Freunde des DDR-Films und Science-Fiction-Komplettisten angesprochen fühlen. Für letztere schließt die von Icestorm herausgebrachte DVD-Edition tatsächlich eine Lücke, denn im Privatfernsehen sind Streifen wie "Der schweigende Planet" eher selten zu sehen. Mit anderen Worten: eine Rarität für die Massen.
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