What´s that noise? "Sometimes it´s just about putting chickens in the track and scratching them until they explode at the end." Dies ist keine Beschreibung einer Tierquäl-Performance, sondern ein Auszug aus der Arbeitsweise von Eric Yick-Keung San alias Kid Koala, der natürlich nicht wirklich Hühner foltert, sondern die für DJs eher ungewöhnliche Vorliebe hat, mit Sprechplatten zu scratchen. Michael Lachsteiner hat den Plattenkratzer für den EVOLVER interviewt.

Der chinesischstämmige Kanadier, der unter dem Namen Kid Koala arbeitet, wurde bereits 1996 in Coldcuts Ninja-Tune-Label-Familie aufgenommen. Ganze vier Jahre dauerten die Aufnahmen zu seinem Debütalbum "Carpal Tunnel Syndrome" (= Sehnenscheidenentzündung). Das 38minütige Werk offenbart den immensen Arbeitsaufwand schon beim kurzen Reinhören: Bis auf ein Stück in klassischer Bandbesetzung wurden alle Songs mit mehreren, ineinander verzahnten und sich überlagernden Loops und Effekten zweier Plattenspieler aufgenommen. Das Ergebnis sind vielschichtige, verschachtelte Groove-Hörspiele und irrwitzige Textpassagen, teilweise an Spike Jones erinnernde Kracheinlagen, lässig eingestreuter HipHop und locker swingender Jazz. "Carpal Tunnel Syndrome" ist eine Fundgrube vieler Stile und eine unterhaltsame Demonstration des Plattenspielers als Instrument. Im Juli spielte Kid Koala mit seiner Band Bullfrog im Rahmen des Jazzfests Wien ein ebenso unterhaltsames wie anspruchsvolles Konzert im WUK - und fand danach Zeit für ein Gespräch mit dem EVOLVER.

EVOLVER: Du trittst hier im Rahmen eines Jazzfestivals auf. Würdest du deine Musik als Jazz bezeichnen?
Kid Koala: Nein, ich verwende zwar teilweise Jazzplatten für meine Musik, aber es ist ganz sicher kein Jazz. In meinem Musikverständnis ist Jazz auf so hohem Niveau angesiedelt, daß ich echten Respekt davor habe - ich würde meine Musik nicht so bezeichnen. Einerseits ist das improvisatorische Element des Jazz zwar sehr ähnlich dem, was ich mache; andererseits passieren in meiner Musik so viele Blödeleien, die wirklich überhaupt nichts mit Jazz zu tun haben!

EVOLVER: Wie entstand das Album?
Kid Koala: Die Geschichte war furchtbar und dauerte insgesamt vier Jahre, bei denen ich noch zusätzlich ständig auf Tournee war. Vor allem, wenn ich auf Tour bin, kaufe ich gerne obskure Platten ein, die ich am liebsten sofort für ein neues Stück verwenden will, aber das geht unterwegs eben nicht. Am liebsten arbeite ich mit seltsamen Platten, die ich dann noch seltsamer klingen lasse!

EVOLVER: Was verwendest du als Ausgangsmaterial?
Kid Koala: Die Bestandteile meines Albums sind: eine Menge Comedy-Alben, Hörspiele, Kinderplatten, Bauchtanzplatten, vertonte Gebrauchsanweisungen und eine Unmenge seltsamer Musik, zu der kein Mensch tanzen kann; dazu sehr viele Sounds von irgendwoher, Hühner, Hunde und so weiter. Es sind sehr viele Informationen auf diesem Album, es steckt sehr viel drin, das man nicht gleich hört! Hör es dir nicht an, wenn du mit dem Auto oder auf dem Skateboard fährst - es ist so, als würde man sich die "Simpsons" ansehen, es geht alles sehr schnell, und wenn du kurz mal nicht aufmerksam bist, hast du was verpaßt! Außerdem würde es dich nur ablenken, wenn du dich konzentrieren mußt! Man muß sich wirklich hineinversetzen, um die vielen kleinen Jokes zu hören.

EVOLVER: Wie würdest du die Musik deines Albums beschreiben?
Kid Koala: Erstmal würde ich sie gar nicht als Musik bezeichnen, und ich würde das Album auch nicht als Album bezeichnen! Ich würde auch nicht sagen, daß Songs auf dem Album sind - für mich ist es eher eine Studie in Sachen Plattenspieler. Ich habe einfach versucht, wie weit man mit einem Plattenspieler in musikalische Bereiche vordringen kann. Es gibt Stücke auf dem Album, die aus verschiedensten übereinander gelagerten Soundschichten bestehen und zu denen man garantiert nicht tanzen kann, andere Stücke sind wieder sehr Groove-orientiert. Das ganze Album besteht aus vielen sehr kleinen Teilen, die sich zusammenfügen wie Legosteine. Manche Tracks kreisen um Dialoge oder einfach gesprochene Wörter wie bei "Barhopper", bei dem das Zentralthema ein Mann ist, der wirklich seltsame Dinge sagt und einer Frau, die das sehr gelangweilt kommentiert. Er sagt zum Beispiel "My neighbour´s favorite occupation is making models of boats!"
Ich wollte schon sehr lange mit solchen Einzeilern, die ich auf verschiedenen Platten gefunden hatte, etwas anstellen - und da kam mir die Idee, eine Geschichte zu erzählen, die in einer Bar spielt: Ein Mann versucht, eine Frau zu beeindrucken, und will ihre Aufmerksamkeit mit völlig seltsamen Aussagen auf sich ziehen. Also habe ich viele solcher Schnipsel zusammengestellt, um diese Konversation auf Platte zu bringen - das ist fast, als würde man einen Film drehen! Wenn du deine Augen schließt, kannst du den Typ sehen, wie er betrunken an der Bar hängt und diese Frau anquatscht. Man kann mit Plattenspielern sehr gut Sprache manipulieren. Wenn man beispielsweise eine Aussage am Ende langsamer werden läßt, klingt sie wie eine Frage! Bei dieser Art von Stücken geht es nicht um irgendwelche Tricks mit den Plattenspielern, sondern nur um die Geschichte selbst und den Versuch, mit den Plattenspielern eine Geschichte zu erzählen. Andere Tracks auf dem Album sind dagegen sicher sehr technikorientiert; auf denen zeige ich, was ich so kann! Manche sind sehr humorig, manche erzählen Geschichten, bei manchen geht es um den Groove. Man könnte auch sagen, "Carpal Tunnel Syndrome" ist mein Comedy-Album, und das nächste Album wird dann ein romantisches Drama! Außerdem finde ich es eigentlich gar nicht passend, wenn mein Album in den Shops in den Dance-Fächern steht - es paßt doch viel besser in die Comedy-Abteilung oder gleich zu den Büchern!



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