Er ist zurück - unser Freund, der Serialkiller. Tauchte er zuletzt nur noch in schrottigen Direct-to-Video-Filmchen auf, so grinst er uns jetzt wieder diabolisch aus einer ambitionierten Produktion entgegen. US-Regisseurin Mary Harron wagte es, Patrick Bateman, den "American Psycho" aus dem gleichnamigen kontroversen Bestseller von Bret Easton Ellis, auf die Leinwand zu bringen. Und Christian Fuchs denkt zu diesem Anlaß heftig über das Böse und seine verschiedenen Gesichter nach…

Es war einmal… Irgendwann, bevor der popkulturelle Mainstream das Phänomen Serienmörder so vollständig aufgesogen und abgehakt hatte wie heute, als "Mass Murderer"-Sammelkarten noch nicht die blutverschmierten Verwandten von Pokémon-Bildchen waren, da umgab noch ein Hauch von Subversion die mediale Flut zu diesem Thema.

Der Ansatz, den - von etwa Mitte der 80er bis Mitte der 90er - Regisseure wie John McNaughton ("Henry") und William Friedkin ("Rampage"), aber auch Autoren wie James Ellroy ("Silent Terror") verfolgten, war radikal: sie gestanden dem Serienkiller nicht mehr bloß die übliche, klischeeverzerrte Antagonistenstellung zum guten "Dirty Harry"-Cop zu, sondern machten ihn selbst zum komplexen (Anti-)Helden ihrer Werke. Und das wirkte hochgradig verstörend auf die emotionale Befindlichkeit der Konsumenten. Aus der durchgeknallten Bestie war eine Art libertinärer Über-Outlaw geworden, der in einer vollends leeren und disziplinierten Welt auf Kosten anderer eine (versteckte) rauschhafte und animalische Existenz führte; der sich - indem er jenseits aller üblichen monetären Motive des organisierten Verbrechens "sinn- und nutzlos" mordete - außerhalb der Dinge stellte. Das ultimative individualistische Böse, die Antithese aller sozialen und christlich geprägten, moralischen Vereinbarungen. Outside of society. Und sogar Hannibal Lecter, die Hollywood-gerechte Variante dieses Typus, unterwanderte ein kleines bißchen den Mainstream, faszinierte doch plötzlich ein kannibalistischer Misanthrop die bürgerliche Academy-Award-Gemeinde.

Mit dem Erfolg von "Silence of the Lambs" begann aber gleichzeitig der Aufstieg des Serialkillers zur makabren Pop-Ikone - eine Entwicklung, deren Höhepunkt "Natural Born Killers" schließlich zynisch dokumentierte. Es ging nicht mehr um das Sich-Hineinversetzen in die Abgründe des menschlichen Seins, nicht mehr um desorientierende Fragen der Moral und Unmoral, sondern bloß um simples Aufgeilen am Bösen. Logischerweise mußte dieser Hype irgendwann kollabieren und damit schnurstracks in die Hinterzimmer schmuddeliger Videotheken führen, zu C-Klasse-Schockern mit abgehalftertem Personal à la Charlie Sheen und Christopher Lambert.

Wer jetzt glaubt, Mary Harron, die New Yorker Regie-Feministin an der Grenze von Independent-Kino und Hollywood-Karriere ("I Shot Andy Warhol"), würde mit ihrer Leinwandversion von "American Psycho" wieder an die Ära der ambitionierten Serialkiller-Streifen anschließen der täuscht sich - zumindest zum Teil. Denn Harrons Film versprüht zwar sehr wohl Intelligenz und Sarkasmus, handelt aber im Grunde viel weniger vom Themenkomplex "Serienmord" als von den Auswüchsen des Kapitalismus und schonungslosen Konsumierens, symbolisiert durch den Hyper-Yuppie Patrick Bateman.

Die punkto Gewalt ungleich explizitere Buchvorlage verfolgt natürlich dasselbe Ziel, was Bret Easton Ellis nach etlichen Angriffen auf seine Person auch nicht müde wurde, zu bestätigen: Bateman ist kein Outlaw, kein Existentialist, kein nietzscheanisch-sadescher Bösewicht, sondern ganz wortwörtlich das charakterlose Nichtwesen, als das er sich selbst imaginiert, ein am Reißbrett entworfenes Konstrukt, um den Terror von keimfreien Designerwohnungen, Nouvelle-Cuisine-Essen, Armani-Anzügen und Phil-Collins-CDs zu personifizieren. Weil ihm alle diese Statusobjekte keinen Kick mehr geben, auf der Suche nach dem letztmöglichen Kitzel, weil er gar nichts mehr fühlt - nicht mal mehr die abgründigen sexuellen Begierden seiner "Kollegen", deswegen killt Bateman.



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