Fortsetzung...
EVOLVER: Woher stammen diese Loops und Samples?
Swinscoe: Die letzten drei oder vier Jahre habe ich damit verbracht, mir ein umfangreiches Musikarchiv aufzubauen, speziell für das Sampling, aber natürlich auch, um mir einfach die Platten anzuhören. Meine Sammlung beinhaltet Soundtracks, Big Band-, Sixties- und Seventies-Jazz, klassische Musik, experimentelle klassische Musik, afrikanische Musik, Percussion-Platten usw. Alle diese Platten sind schon älter, ich sample nicht von neuen Platten, vor allem des Sounds wegen. Die Produktionstechniken der Sechziger und Siebziger ließen die Musik sehr warm klingen, was mir sehr gut gefällt. Platten mit der kalten Soundästhetik der Achtziger würde ich nie verwenden.
EVOLVER: Welche Ausrüstung verwendest du?
Swinscoe: In meinem eigenen Wohnzimmerstudio habe ich nur minimales Equipment: einen Akai-Sampler und einen Macintosh. Mehr braucht man nicht, um das aufgenommene Material entsprechend zu bearbeiten. In diesem Bereich hat die Technologie wirklich große Fortschritte gemacht. Wenn man Ideen hat, kann man, ohne ein Instrument zu beherrschen, heutzutage wirklich gute Musik machen! Außerdem werden diese Technologien immer billiger - das ist wirklich eine tolle Demokratisierung in diesem Sektor.
EVOLVER: Wie funktioniert die Live-Umsetzung?
Swinscoe: Das Live-Set ist sehr viel freier gespielt als das Album. Es gibt keinen Sequenzer im Live-Geschehen, keine Backingtracks oder DATs, die im Hintergrund laufen - alles wird live gespielt. Wir nehmen Elemente der Albumtracks, eine Melodie oder einen Groove, und jammen dazu, wie wir es auch bei den Studioaufnahmen zu den Stücken machen. Bei "Ode to the Big Sea" beginnt das Live-Arrangement mit dem wiedererkennbaren Beginn des Stücks, einem Drumsolo. Daraus entwickelt sich das Stück zu einem freien Duett von Saxophon und Turntables, die übrigens Patrick Carpenter vom Kollektiv DJ Food bedient.
EVOLVER: Wird live sehr viel improvisiert?
Swinscoe: Ja, aber wie im klassischen Quartett/Quintett-Aufbau gibt es einen Leader, der von der Rhythmusgruppe und den anderen Musikern unterstützt wird. Es spielt auf jeden Fall nicht jeder ständig ein Solo!
EVOLVER: Beschäftigst du dich auch mit der "Nu School of Jazz"?
Swinscoe: Teilweise, ich mache z. B. gerade einen Remix für Nils Petter Molvaer; der hat gerade sein zweites Album veröffentlicht, und im Juli werden wir auch gemeinsam mit der Arbeit an seinem dritten Album anfangen. Nils Petter Movaers Musik ist ebenfalls kein striktes Jazzprojekt, es ist eine Mixtur aus Electronics, Drum´n´Bass und Jazz. Er hat zwar einen klassischen Jazz-Hintergrund, experimentiert aber mit verschiedensten elektronischen Elementen wie Sequencern, Effektgeräten und so weiter. Viele der ein wenig aufgeschlosseneren Jazz-Musiker experimentieren mit Elektronik; Jazz hat aber sicherlich auch einen großen Einfluß auf jüngere Musiker.
EVOLVER: Sitzen solche Projekte nicht zwischen den Stühlen der Dance- und der Jazz-Communitiy?
Swinscoe: Ich denke, das ist ein neues Gebiet der Fusion, es entwickelt sich und ist noch sehr jung. Vor allem Dance-Music muß sich mit Einflüssen aus anderen Gebieten stützen, um ihre Lebensspanne zu erhöhen und musikalischer zu werden. Ein Plattenlabel kann heute nicht mehr überleben, indem es einen 08/15-Big-Beat-Track nach dem anderen veröffentlicht. Dance-Music hatte immer eine sehr kurze Lebensspanne, aber je älter dieses Genre wird, umso musikalischer und dadurch auch langlebiger wird es. Vor allem die technologische Entwicklung der letzten zehn Jahre hat einfach alles beeinflußt. Mittlerweile ist es ja auch viel einfacher, Musik zu machen und Einflüsse zu verarbeiten. Während die Sampler und das elektronische Equipment immer billiger werden, ist es heutzutage nicht einmal mehr ein Problem, mit jemandem Musik zu machen, der in China sitzt, während man selbst in England an den gleichen Stücken arbeitet.
EVOLVER: Welche Musik hörst du zur Zeit?
Swinscoe: Vor allem fast keine Dance-Music! Viel Jazz, klassische Musik, noch mehr Jazz und selten Dance-Music - und das meist nur, wenn ich im Büro meines Labels bin.