Mit der Remix-Compilation "Additional Productions" auf dem K7-Label machten Funkstörung im vergangenen Jahr von sich reden. Jetzt erschien endlich das Debütalbum des Rosenheimer Elektronik-Duos Michael Fakesch und Chris De Luca, das aus Krach und Soundschnipseln melancholische Groove-Monster bastelt. Christian Fuchs sprach mit den netten Klangtüftlern in ihrem Studio.

Die Funkstörung-CD "Appetite For Disctruction" geht konsequent den Schritt, den man bei angeblichen Vorbildern wie Autechre schmerzlich vermißt: vom nerdig-fitzeligen Feinelektronik-Bausatzkasten hin zum avanciertem (Avant-)Pop, der auch neue Wege für die Hip- und TripHop-Sackgassen der letzten Zeit aufzeigt. Ein Schritt, der dem bayrischen Duo Kultstatus verschaffte - vor allem in den USA. Ihr Motto: "Ein gerader Beat langweilt uns zu Tode."

EVOLVER: Eure Tracks wimmeln von verstörenden Sounds, sind wahnwitzig programmiert und trotzdem auf eigentümliche Weise funky. Gebt ihr mir da recht?
Michael:
Wir haben da immer schon darauf geachtet. Ich weiß auch nicht, woher der Funk kommt. Chris, haben wir funkige Einflüsse?
Chris: Doch, HipHop. Wir stehen halt auf Sachen, bei denen man mitwippen kann. Das war schon immer so.
Michael: Den Namen Funkstörung haben wir ja eigentlich 1996 für ein Projekt auf Bunker Records und Acid Planet ausgesucht. Wir suchten schon damals nach einem Begriff, der das Wort "Funk" beinhaltet, weil das doppeldeutig zu verstehen ist: auf Englisch denkt man an den Musikstil, auf Deutsch ist es ein anderes Wort für "Radio". "Funkstörung" heißt also "Radio Interferences", hat aber auch andere Bedeutungen. Genauso wie unser Labelname "Musik Aus Strom", das stammt aus einem alten Buch über Synthesizer. Das klingt so allumfassend, nicht nach einem bestimmten Genre oder so. Es schränkt dich nicht ein, es sagt bloß, daß wir elektronische Musik machen.
Chris: Unser Verständnis von Funk ist bloß experimenteller.
Michael: Das führt oft zu komischen Reaktionen. Michael Reinboth (Chef von Compost Records, Anm. d. Autors) war mal so komisch, weil er meinte, unsere Liveshow sei zwar geil, aber uns wäre da ein Fehler unterlaufen. "Jungs, bei euch läuft alles asynchron", meinte er. Wir lachten und sagten ihm, daß das so gehört. Viele können unseren Sachen nicht folgen, weil sie so komplex gemacht sind. Aber ich finde es schön, wenn du sie funky findest.

EVOLVER: Ihr setzt eure Breaks sehr genau und durchdacht, oder?
Michael:
Richtig. Vielleicht ist das der Unterschied zu anderen Leuten, die mit ähnlichen Sounds einfach nur Chaos erzeugen wollen. Wir wollen die Sachen ja nicht absichtlich wirr oder strange machen; es soll schon grooven.

EVOLVER: Dadurch unterscheidet ihr euch ziemlich vom Klischee des typisch deutschen Musikers aus der Electronic-Listening-Szene. Man denkt da oft an blutleere Kunststudenten und intellektuelle Eierköpfe...
Michael:
Wenn uns Leute kennenlernen, denken sie immer, daß wir total strange Jungs sein müssen. In Amerika dachten sie, wir seien extreme Nerds mit Mathematikbüchern unter dem Arm. Daß wir oft lachen, haben sie gar nicht verstanden. Dabei halten wir uns für ganz scheißnormale Typen. Wir haben ganz normale Wohnungen, nehmen keine Drogen oder ähnliches. Wir sind auch gar nicht kopflastig, denken nicht philosophisch über zehn Ecken. Uns langweilt halt nur einfache Musik.

EVOLVER: Wie gefiel euch Drum & Bass, als er das erste Mal auftauchte? Da geht es doch auch um Komplexität.
Chris:
Am Anfang war das noch ganz nett, aber dann wurde es bald verdammt langweilig. Ich besitze ja selber einen Plattenladen in München (Delirium Records, Anm. d. Autors) und bekomme dadurch alle Releases mit. Da herrscht Stillstand.
Michael: Die vertrackten Beats waren anfangs toll, diese Breaks, die jetzt auch Squarepusher benutzt. Aber das wurde durch diese Bristol-Szene immer minimaler. Vor allem nervt mich, daß sie so streng nach Regeln vorgehen. Die haben sich innerhalb kurzer Zeit selbst limitiert. Schade.

EVOLVER: Wie sieht eigentlich euer musikalischer Background aus?
Michael:
Wir haben als richtige Rave-Kiddies angefangen, mit diversem Techno- und House-Stuff, so um 1990 herum. Dann wurde es immer härter, wir haben sogar Gabba gehört, nur weil es neu und anders war. Schließlich langweilten uns die stumpfen, straighten Beats aber. Man muß sich andauernd weiterentwickeln, das ist doch ganz wichtig. Wir wollen nicht wie jene deutschen Produzenten enden, die seit zehn Jahren immer das gleiche machen.
Chris: Auch das Equipment entwickelt sich ja ständig weiter, alles wird komplexer. Wie kann man heute noch fertige Preset-Sounds verwenden? Wenn ich mir vorstelle, ich müßte jetzt House machen und für 30 Lieder denselben Rhythmus verwenden - das wäre furchtbar. Wir sind ja so schlimm, wir wollen einen Sound nicht mal zweimal verwenden.
Michael: Ich werde immer noch überrascht durch die eigene Musik, und das ist sehr schön. Ich selber habe unsere Björk-Remixe noch gar nicht richtig begriffen.
Chris: Ein gerader Beat langweilt uns zu Tode. Es macht uns einfach Spaß, solche Sachen zu produzieren.
Michael: Genau, das ist das Allerwichtigste: Wir müssen Spaß haben beim Produzieren und Anhören.



Zur Zeit liegen noch keine Kommentare vor.