Fortsetzung...

FREEWAY II: CONFESSIONS OF A TRICKBABY
USA 1999

Regie und Buch:
Matthew Bright
Musik:
J. J. Holiday
Darsteller:
Natasha Lyonne
María Celedonio
Vincent Gallo
April Telek
Bob Dawson
Jennifer Griffin
Max Perlich

Wertung:
øøøø

Obwohl der Titel eine Fortsetzung der 1996er Serialkiller-Komödie "Freeway" (mit Reese Witherspoon und Kiefer Sutherland) impliziert, geht Matthew Bright, Regisseur beider Semi-Underground-Streifen, hier doch ganz andere Wege. "Confessions of a Trickbaby" steigert die amoralischen Tendenzen des Erstlings in ungeahnte Dimensionen und bietet die längst überfällige "Girls on the run"-Variante im Killer-Subgenre "Mörderische Pärchen". Gegen die 15jährige Bulimikerin Crystal und ihre psychotische, lesbische Kumpanin Cyclona wirken "Thelma und Louise" wie altmodische Hausfrauen. Denn die beiden jungen Haftflüchtlinge verschonen nichts und niemand auf ihrem Amoktrip, der sie quer durch Amerika nach Mexiko führt. Der Film ist eine halluzinatorische Extremreise ins Zentrum der White-Trash-Seele, angereichert mit Nekrophilie, Pädophilie, Kotzen und Fressen, Klebstoffschnüffeln und Mord, Mord, Mord. Am Ende stehen Chaos und Vernichtung sowie Indie-Gott Vincent Gallo als sadistische, mexikanische Sister Gomez, die sich als Hexe aus "Hänsel und Gretel" der Gebrüder Grimm entpuppt. Verwirrt? Zurecht, aber Matthew Brights giftiger Cocktail funktioniert und schmeckt. Wo etwa "Baise-moi", die ach-so-skandalöse französische Pornoversion des Themas, nur angestrengt um Provokation heischt, erzählt Bright sein durchgeknalltes Märchen unglaublich leichtfüßig und voller tiefschwarzem Humor. Subversiv-krankes Sexy-Entertainment.


HANNIBAL
USA 2000

Regie:
Ridley Scott
Buch:
David Mamet und Steven Zaillan, nach dem Roman von Thomas Harris
Kamera:
John Mathieson
Musik:
Hans Zimmer
Darsteller:
Anthony Hopkins
Julianne Moore
Gary Oldman
Giancarlo Giannini
Ray Liotta

Wertung:
øøø

Thomas Harris´ Fortsetzung seines Megaerfolgs "Silence of the Lambs" mag nicht der anspruchsvollste Thriller der späten Neunziger sein. Aber gerade das, was das Buch in den Augen vieler Kritiker verachtenswert macht - der genüßlich zelebrierte Sadismus, die oft überzogenen Schockmomente, die scheinbar durch und durch destruktive Weltsicht des Autors -, all das verleiht "Hannibal" auch etwas beinahe Subversives. Wie oft schafft es schon ein bösartiges Stück Pulp-Literatur an die Spitze der Verkaufs-Charts, ein Buch, das manchen Bestseller-Konsumenten tatsächlich in eine Moralkrise stürzen könnte? Wieviele Mainstream-Schmöker entlassen die Heldin mit ihrem schlimmsten Widersacher gemeinsam in den Himmel der Liebe?
Ridley Scott, der nach langen Diskussionen die Regie übernahm, konnte und wollte diesen amoralischen Kern nicht auf die Leinwand bringen. Stattdessen stürzt sich der Filmemacher, wie so oft in seinem Oeuvre, auf opulente Schauwerte und perfekte Oberflächen: das sommerliche Florenz, das herbstliche New England, beklemmend ausgeleuchtete FBI-Archive und pittoreske Paläste, Shootouts und genüßlicher Splatter - und natürlich die Mimik von Anthony Hopkins. Wo Jonathan Demme in "Silence of the Lambs" noch zwischen der grimmigen Realität und Grimms Märchen pendelte, ist "Hannibal" nur mehr ein modernisiertes gothisches Schauerstück. Stilvoll, blutig, komisch - kein Wunder aber, daß Hannibal the Cannibal darin vollends zur Sagenfigur verkommt.


HENRY - PORTRAIT OF A SERIAL KILLER
USA 1986-1989


Regie:
John McNaughton
Buch:
Richard Fire und John Mc Naughton
Kamera:
Charlie Liebermann
Musik:
Robert McNaughton, Ken Hale und Steven A. Jones
Darsteller:
Michael Rooker
Tracy Arnold
Tom Towles
Ray Atherton

Wertung:
øøøøø

Es gibt viele Möglichkeiten, sich dem Thema "Serienmord" filmisch zu nähern: Neben sachlichen Dokumentationen, künstlerischen Werken und Exploitation-Schockern sind es aber Filme ohne erkennbare moralische Schemata wie dieser, die am tiefsten in die Gefühlsoberfläche des Betrachters hineinschneiden. Gedreht 1986, war John McNaughtons billiger Independent-Film jahrelang vom finanziell tödlichen X-Zertifikat bedroht; erst viele Jahre später fand er einen US-Verleih und entwickelte sich zum "Sleeper"-Hit der Programmkinos.
Aus dem Fall des Henry Lee Lucas, der in den 80er Jahren wie ein Todesorkan über Amerika hinwegfegte, hat McNaughton für sein Low-Budget-Werk archetypische Episoden herausdestilliert. Lucas´ Leben scheint ein gefundenes Fressen für Psychoanalytiker zu sein - eine Kindheit, die nur aus Quälungen und sexuellen Mißhandlungen bestand, Gefängnisaufenthalte, schließlich der Mord an der übermächtigen Mutter. Es dürften eindeutig psychische und physische Prügel gewesen sein, die seinen Weg zur kaltblütigen Schlachtmaschine begünstigten. Dennoch beharrt der Film nicht auf solchen Theorien, begnügt sich mit Gesprächsfetzen und Andeutungen darüber, verzichtet auf traumatische Rückblenden in die Kindheit, Freudsche Symbolik und andere Versatzstücke, die sich aufdrängen würden. John McNaughton: "In TV-Sendungen über Typen wie Lucas oder Manson sagen sie immer, es läge an der Mutter oder der Knasterfahrung, an der Armut oder an einem ähnlichen Grund. Das glaube ich nicht. Henry Lee Lucas könnte einen Bruder haben, der Gehirnspezialist ist. Ich wuchs mit zwei Brüdern auf, einer wurde kriminell, der andere Anwalt einer großen Firma. Einer fährt einen dicken Wagen, lebt in einem großen Haus, trägt Anzug und Krawatte; der andere fälscht Schecks, schwindelt mit Kreditkarten und stiehlt. Beide stammen aus dem gleichen Elternhaus" (zit. aus "Dark Stars - 10 Regisseure im Gespräch").
McNaughtons Jetzt-schon-Klassiker des Indie-Kinos lastet bleischwer und unangenehm in der Erinnerung, und darin liegt seine große Qualität: der gewalttätige Film als Abbild einer gewalttätigen Realität. Der Menschenjäger wird hier einmal nicht als plakativer Film-Weirdo oder mitreißender Psychokiller porträtiert, der von luzidem Wahn getrieben wird; Henry repräsentiert die pervertierte Normalität und wird damit dem Phänomen "Serienkiller" gerechter als viele andere Streifen. Die Figuren agieren wie lebende Tote. Das menschliche Aufbegehren, das die Trostlosigkeit anderer Werke noch erträglich macht, fehlt hier vollkommen. Auch formal spiegelt McNaughton mit zynischen, tristen Bildern, die der Ästhetik eines Snuff-Pornos ähneln, perfekt die Leere und Stumpfheit seiner Charaktere wider.


THE HITCHER
(Hitcher, der Highway-Killer)

USA 1986

Regie:
Robert Harmon
Buch:
Eric Red
Kamera:
John Seale
Musik:
Mark Isham
Darsteller:
Rutger Hauer
C. Thomas Howell
Jennifer Jason Leigh
Jeffrey DeMunn
Henry Darrow

Wertung:
øøøø

Der Massenmörder als pervertierter Rebell hat populärkulturell den einsamen Wild-West-Gunman der Frontier-Ära abgelöst - so lautet zumindst eine These. Rutger Hauer alias "The Hitcher" ist beispielsweise so ein "Fremder ohne Namen" - ein außenseiterischer, psychopathischer Held, der sich das Recht über das Schicksal anderer nimmt. Nicht umsonst erinnert der Hitcher in seinem langen, flatternden Mantel an Clint Eastwood, wenn dieser in den Italo-Western allein durch staubige Straßen wandert. Und wie in den Klassikern von Sergio Leone kennt man weder die Motive noch die Vergangenheit des blonden Hünen, der einsam am Rande des Highway steht. Sicher ist nur: Der Mann aus dem Nichts mordet mit schier übermenschlicher Vehemenz. Ein junger Autofahrer kann sich aus den Fängen des Killers befreien, aber dieser hat Blut geleckt, und er wird ihn nicht mehr los... Die Hitcher-Figur aus der Feder des einst vielversprechenden Drehbuchautors Eric Red ("Blue Steel", "Near Dark"), ist ein perfekter Kino-Hybrid: ein fast unzerstörbarer, cool wirkender Serienmörder im Outlaw-Look; meilenweit weg von echten Highyway-Killern und ihren zerstörten, ruinösen Persönlichkeiten, aber dennoch glaubwürdiger und interessanter als die gesichtslosen Slasher aus "Halloween", "Freitag der 13." usw.



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