27-11-2000/Abteilung: Müll-Mix/Archiv

Abteilung: "Schräge Gedanken, die im Papierkorb landen mußten"

Die Geschichte zur Geschichte

Dr. Trash wird freundlichst ersucht, einen Gastkommentar fürs "SMart-Magazin" (das Hausorgan der ersten Wiener S/M- & Fetisch-Konditorei) zu schreiben. Für Gotteslohn und vielleicht zwei Mahlzeiten, weil ja heutzutage niemand mehr Geld hat. Normalerweise lehnt der Doc solche Ansinnen freundlich, aber bestimmt ab; da ihm die Chefredaktion dieses Blattes jedoch in freundschaftlicher Weise nahesteht, sagt er doch zu. Wider besseres Wissen - weil: Was hat der Doc den Auspeitschern und Gummimenschen schon zu sagen? Will er sich wirklich damit aufhalten, eine amüsante kleine Kolumne über seinen Lieblingsfetisch (wenn er denn einen hätte?) für die schicke S/M-Szene zu schreiben?

Nein, will er natürlich nicht. Nach einigem Überlegen kommt er zum Entschluß, daß bei den ehemaligen Provokateuren aus der "Perversen"-Szene nur Provokation hilft. Also produziert er einen Aufsatz über seinen Anti-Fetisch: Kinder. Die mag er nämlich nicht. Genausowenig wie all diese entsetzlichen Jungeltern, die so tun, als wären ihre Bälger das Beste, das je erfunden wurde...

Gesagt, getan. Gastkommentar wird geschrieben, per Elektropost abgeliefert und von den "SMart-Magazin"-Menschen erst einmal für "gut und witzig" befunden. Mit dem heiter gestimmten Nachsatz: "Aber jetzt laden wir Sie nicht mehr zu uns ein, lieber Herr Doktor, wenn Sie so über unsere Kinder denken." Ja, haha.

Und dann klappt die große Schere im Kopf der Chefredaktion auf. Darf man so etwas überhaupt abdrucken? Könnten sich unsere armen kleinen Leser dadurch nicht gestört fühlen? Wollen wir uns wirklich provozieren lassen? Und da gibt´s ja auch noch irgendeinen Geldgeber - was wird der sagen? Nein, das legen wir ihm lieber gar nicht erst vor; wozu gibt´s die Selbstzensur...?

Ein paar Tage nach Abgabe des trashigen Beitrags kommt also ein zaghafter Anruf des männlichen Teils der smarten Redaktion. "Servas, Doc!" beginnt der freundlich, um dann bald besorgt zu werden: "Aber das ist schon ziemlich hart, was Sie da geschrieben haben, finden Sie nicht? Wollen Sie sich das nicht lieber noch einmal überlegen? Und glauben Sie nicht, daß Sie damit sich selbst schaden?"

"Ja", "Nein" und "Wie bitte?!" antwortet Dr. Trash da nur. Und: "Take it or leave it." Für das Geld überlegt er sich sicher keinen zweiten, gefälligeren Gastkommentar. Danke und auf Wiederschauen.

Die mittlerweile anscheinend zur Gegenseite gewordene andere Seite muß also mit schwereren Geschützen auffahren. 24 Stunden später langt ein E-Mail der Chefredakteurin von "Österreichs erstem Fetisch & SM-Magazin" ein: "Gratulation zum hervorragend formulierten Gastkommentar", heißt es darin. "Er entbehrt nur einer nachvollziehbaren Logik. ... Nur weil Kinderhaß ein Tabu verletzt, ist er noch lange kein Fetisch oder eine sadomasochistische Praktik."

Das hat der Doc zwar nie behauptet, aber mit einer solchen Reaktion war naturgemäß zu rechnen. Doch es kommt noch schlimmer - der Rest des Schreibens beschränkt sich nämlich auf PC-Gutmenschen-Parolen, die mit dem Inhalt seines Beitrags aber schon gar nichts mehr zu tun haben: "Oder ist der gemeinsame Nenner die Kinderschändung? Ich denke, das ist unter Ihrem Niveau. Und unter dem des SMart-Heftes ebenfalls. Wenn das Vorhandensein von moralischen Werten und Grenzen bereits Kleinbürgertum begründet, dann bin ich/ist das SMart-Magazin eben kleinbürgerlich. Ich kann damit leben. Tut mir leid, aber so kann ich/will ich/wollen wir das nicht reinnehmen."

Auch gut. Wäre nicht das erste Mal, daß der Doc der Zensur zum Opfer fällt - wenn auch selten auf einem solchen Argumentationsniveau. Aber wenigstens können die S/M-Yuppies frohlocken - das Disneyland der Peitscherlbuben und -mäderln wurde wieder einmal vor dem Bösen bewahrt. Und im neuen Gastkommentar (garantiert nicht vom Doc) erfahren sie wahrscheinlich, wie man seine Reitstiefel richtig poliert...

Aber lesen Sie selbst. AB IN DIE ZENSUR-ZONE!


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