13-07-2001/Abteilung: Musik

Am 3. Juli 1971 brach Jim Morrison in seiner Pariser Wohnung unter mysteriösen Umständen auf die andere Seite durch - Grund genug für die Medien, die dubiose Causa noch einmal lang und breit wiederzukäuen und den guten alten Jim einmal mehr als abgehobenes Sonderexemplar in Sachen Rock´n´Roll darzustellen. Dieses publizistische Zerrbild schießt eklatant an den Tatsachen vorbei und geht zu Lasten einiger nicht minder "absonderlicher" Zeitgenossen, meint r.evolver ...

Todestage haben stets etwas Verklärendes, Wehmütiges. Objekte kollektiver Trauer werden beinahe zärtlich noch einmal bis auf die Unterhose ausgezogen und danach seziert. Anschließend hebt eine Meute blutrünstiger Kulturjournalisten die Leichenteile feinsäuberlich auf ein Podest, und gleichzeitig scharen sich weinende Anhänger um die letzte Ruhestätte, die gleich einem antiken Tempel einen Tag lang jenes Pathos spiegeln darf, das wenig mit der Realität, dafür aber umso mehr mit Wunschbildern zu tun hat - und die entsprechen ja bekanntlich nie den Tatsachen. Wer sich auf Teufel komm raus selbst den Garaus macht, mit welchen Hilfsmitteln auch immer, ist nun mal weniger ein Held denn ein Vollidiot. So steht es geschrieben...

Leichenschmaus for the record industry

Ob in Graceland oder auf dem Pariser Friedhof Père-Lachaise - es ist stets das gleiche Bild: Tausende Fans versammeln sich, um gemeinsam gramgebeugten Hauptes einen Toten zu beweinen, den keiner der Trauergäste persönlich kannte. Bei dieser Gelegenheit wird natürlich gern gefachsimpelt, und so manche Expertise überschattet das gesellschaftliche Ereignis. Man vergleicht Daten, reflektiert Gerüchte und begibt sich, wie schon im Jahr davor, auf die Suche nach brauchbaren Indizien, um gewagte Thesen zu stützen: Jim Morrison lebt. Ja, er sitzt irgendwo am Himalaja und häkelt Zierdecken - instinktiv weiß es jeder, und trotzdem heulen alle Rotz und Wasser.

Angesichts dieses unsagbaren Leids stellt sich unweigerlich die Frage, warum Fans derart in die Ferne schweifen, wo doch das Gute (wie so oft) so nahe läge. Erstens ist selbst der Tod relativ - für die Plattenindustrie ist Jim Morrison im Grunde ebensowenig gestorben wie Robbie Williams -, und zweitens ist der schwarze Prinz mitnichten der einzige, den, rückblickend betrachtet, die Aura eines der Welt entrückten Poeten umgibt. Vielen gelang es halt nur beim besten Willen nicht, sich ins Nirwana zu saufen oder auf sonstige Weise dorthin zu katapultieren. Nehmen wir also den Todestag des vermeintlich irrsinnigsten, poetischsten, stimmgewaltigsten aller Rock´n´Roll-Barden zum Anlaß, einmal nicht seiner zu gedenken, sondern vielmehr zweier Zeitgenossen, auf die die genannten Superlative mindestens ebenso gut, wenn nicht besser zutreffen. Es ist höchste Zeit für einen kurzen Sammelnekrolog auf zwei legendäre Starkstrom-Heroen, die sich dieser Tage wahrscheinlich gern im Grab umdrehen würden ... wenn sie schon gestorben wären.

Vergessen, aber leider nicht tot: Syd Barrett

Wer erinnert sich schon beim Klang des fulminanten Pink-Floyd-Titels "Shine On You Crazy Diamond" an den Namen jenes Musikers, dem das Lied gewidmet ist? Pink-Floyd-Gründungsmitglied Syd Barrett erfährt in dem Lied höchste musikalische Weihen, und vor allem solche, die an sich nur Toten vorbehalten sind. Vielleicht wäre es für den buntschimmernden Rohdiamanten Barrett tatsächlich besser gewesen, nach seinem unfreiwilligen Ausscheiden aus der Supergroup den Löffel abzugeben. Fraglos untermauert ein spektakulärer Abgang den Status eines Künstlers, und Tausende trauernde Fans könnten heute ein anbetungswürdiges Objekt mehr aus tiefster Seele beweinen.


Syd Barrett & Roky Erickson

Bezugsquelle(n):
 gutsortierter Musikfachhandel 

Links:
Dolly Rocker -
The Syd Barrett Homepage


roky.erickson: online

The Doors Experience