Als
William M. Gaines 1946 von seinem Vater den Verlag Educational
Comics (später Entertaining Comics) - kurz E.C.
- übernahm, ahnte niemand, welche Reaktionen seine
mitunter blutrünstigen Publikationen wenige Jahre
später auslösen sollten. Die erbarmungslose
Treibjagd der Moralapostel übertraf die bizarren
Szenarien der berüchtigten E.C.-Hefte bei weitem.
Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen....
r.evolver wagt
sich in die Gruft des Terrors.
Waren die
klassischen Comic-Superhelden amerikanischer Provenienz
während des Zweiten Weltkriegs noch ausreichend
damit beschäftigt, alle möglichen und unmöglichen
Schergen des Faschismus zu bekämpfen, so machte
sich nach Unterzeichnung des Waffenstillstands in den
Reihen der Unbezwingbaren eine Art Burnout-Syndrom bemerkbar.
Die Comic-Verlage reagierten auf das abnehmende Interesse
der Leserschaft an stählernen Helden, deren fiktive
Fähigkeiten im Schatten realer militärischer
Glanzleistungen verblassen mußten, und die Zeichenbüros
wandten sich einem neuen Genre zu, das nach relativ
kurzer Auflagenflaute rasch wieder für frischen
Wind am Heftmarkt sorgte. Drei wesentliche Umstände
mochten ebenfalls förderlich für die Entwicklung
gewesen sein: Erstens waren die Söhne zurückgekehrt
oder begraben; zweitens hatten mit dem Einzug des Alltags
in die amerikanischen Haushalte auch die üblichen
Schlagzeilen ihren Weg auf die Titelseiten der Boulevardblätter
gefunden; und drittens war der nächste militärische
Konflikt (Korea) noch kein Thema, und der Kalte Krieg
schon gar nicht (oder nur in Geheimdienstkreisen)
Es verwundert
also keineswegs, daß US-Comic-Verlage ihre Inhalte
gegen Mitte der 40er mit den ältesten Slogans der
Menschheit ans Lesevolk brachten. Verbrechen, Mord und
Totschlag erwiesen sich nach Jahren heulender Luftschutzsirenen
und allgemeiner Spionagehysterie als kräftige Zugpferde
im Kampf um Marktsegmente. In weiser Voraussicht startete
Charles Biro mit "Crime Does Not Pay" bereits 1942 eine
der erfolgreichsten Comic-Serien des sogenannten "Goldenen
Zeitalters" - und die Heftreihe legte nach dem Krieg
noch ordentlich an Auflage zu. Der Kritiker Mike Benton
bezeichnete den brutalen Comic, der sich vor allem durch
die grobe und explizite Darstellung sämtlicher
bekannter Verbrechens- und Tötungsarten auszeichnete,
schlicht als "10-Cent-Eintrittskarte zu einer öffentlichen
Exekution". Biro kosteten derart heftige, wenn auch
zutreffende Worte freilich nur ein mildes Lächeln,
denn die Auflage seiner reißerisch aufgemachten
Comics hatte sich innerhalb weniger Jahre verfünffacht.
Womit William
M. Gaines ins Spiel kommt: Der junge Verleger griff
1946 mit "War Against Crime" und "Crime Patrol" den
Trend auf und schuf somit seine eigene Interpretation
des seit Shakespeare überaus beliebten Themas "Mord,
Totschlag und die Folgen". Den beiden Serien folgte
im Oktober 1950 die legendäre Reihe "Crime SuspenStories",
die heute gemeinhin als die charakteristischste Serie
der "harten Welle" bezeichnet wird. Im Gegensatz zur
Konkurrenz versuchte die Mannschaft um Chefredakteur
Al Feldstein jedoch nicht nur das Verbrechen und seine
Folgen ebenso variantenreich wie schonungslos darzustellen,
sondern bemühte sich auch um eine anspruchsvolle
graphische Umsetzung sowie die notwendige soziale Transparenz.
Manch grausiges Geschehen spielte sich nicht mehr im
Rahmen üblicher Klischees und Schauplätze
ab. Waren es bei Biros "Crime Does Not Pay" noch düstere
Viertel, in denen das Verbrechen blühte, so lag
der soziale Fokus der "Crime SuspenStories" zumeist
auf einer dem Leser durchaus vertrauten Umgebung. Plötzlich
wurden Arbeitsplatz oder Familie zum Schauplatz des
Verbrechens...
Mit
Horror geht´s weiter
Untersuchungen
belegen, daß die einschlägigen Genre-Publikationen
mitnichten nur mehr von Kindern oder Jugendlichen gelesen
wurden. Die Comics hatten die Phase der Pubertät
endlich überwunden, wenn auch nur für kurze
Zeit - schon bald sollten die weiteren Ereignisse für
eine in jeder Hinsicht regressive Entwicklung sorgen.
Wie gesagt,
der Altersdurchschnitt bei den Crime-Heften lag im Schnitt
höher als beispielsweise bei den Superhelden-Comics:
57 Prozent der Käufer von "Crime Does Not Pay"
waren über 21. Genau dieses Publikum hatte Gaines
im Visier, als er Anfang der 50er Jahre, motiviert durch
den Erfolg seiner "Crime SupenStories", eine Reihe neuer
Comic-Serien - die E.C. für kurze Zeit zum kreativen
Marktführer in Sachen Gänsehautgeschichten
werden ließen - herausbrachte: "The Crypt of Terror"
(später "Tales from the Crypt"), "The Vault of
Horror" und "The Haunt of Fear" boten ab 1950 düstere
Grusel-Storys, die ebenfalls nicht die üblichen
Sujets bemühten. Nicht das gute alte Spukschloß
nebst obligatorischen Geistererscheinungen stand im
Mittelpunkt des Geschehens, sondern vielmehr die beunruhigende
und beklemmende Atmosphäre des Alltäglichen
sowie die vielen skurrilen Figuren, die gewohnte Lebenswelten
bevölkern - so z. B. die Gestalt des sinnkrisengeschüttelten
Henkers, der in seiner Freizeit des Mordes verdächtigten
Angeklagten (die er trotz des richterlichen Freispruchs
für schuldig hält) auflauert, um sein persönlich
gefälltes Urteil grausam in die Tat umzusetzen.
Und zwar solange, bis er sich schließlich selbst
zum Schafott begeben darf...
Mit anderen
Worten: Dem Leser eröffnete sich nie zuvor erfahrener
subtiler Horror. Die ausgefeilte Dramaturgie der E.C.
Comics erfährt zumeist am Höhepunkt der Story
mittels drastischer Zeichnungen einen spannungsgeladenen
Bruch. Die schockierenden Darstellungen stehen jedoch
in keinerlei Widerspruch zum perfekt gestrickten Handlungsgerüst
und zielen somit weniger auf einen billigen Effekt denn
auf eine gelungene Pointe ab. Diese virtuose Synthese
von Splatter-Effekten und originellem Plot läßt
den Rezipienten auch heute noch in eine unheimliche
Umgebung eintauchen, die bei aller Entrücktheit
der "normalen" Umwelt gefährlich nahe kommt. Und
genau dieser Umstand macht nach wie vor den Reiz der
E.C.-Geschichten aus.
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