EVOLVER-Filmressortleiter Klaus Hübner liefert seine persönlichen Empfehlungen zur heurigen Viennale.

Man fragt sich jedes Jahr aufs neue, wie man mit einem Festival von der Größenordnung der Viennale umgehen soll. Hunderte Filme innerhalb von zwei Wochen - ein unbewältigbares Quantum, sogar für Studenten - geben der Phrase von der "Qual der Wahl" eine tiefere Bedeutung. Vielleicht hilft es, jene Werke, die später ohnehin ins Kino kommen, einfach auszulassen. Der Viennale-Katalog, das wichtigste Sammlerobjekt der hiesigen Kinoszene, gibt darüber genauer Auskunft. (Er ist übrigens auch online über http://www.viennale.at abrufbar.)

Allerdings ist der Filmgenuß bei der Viennale nicht mit einem gewöhnlichen Kinobesuch zu vergleichen, und wer auf das bestechende Flair des Festivals nicht verzichten will, muß wohl mehr Zeit investieren. Im folgenden finden Sie jedenfalls das persönliche Programm des EVOLVER-Filmchefs - vielleicht hilft das bei der Auswahl.


Apocalypse Now Redux
Coppolas Meisterwerk in jener Form, wie sie vom Regisseur geplant war - mit 49 Minuten zusätzlichem Material. Ein großartiges Erlebnis, auch wenn man den Film in der ursprünglichen Fassung schon hundertmal gesehen hat.

B52
Eine Dokumentation über die legendären Kriegsbomber der US-Luftwaffe, die bis heute zum Einsatz kommen und stets eine entscheidende Rolle bei der militärischen Vormachtstellung Amerikas gespielt haben. Der Streifen wurde vom deutschen Langzeit-Dokumentaristen Hartmut Bitomsky gedreht.

Chie shi manpo - Millennium Mambo
Die taiwanesische Sozialstudie porträtiert eine Frau mit wenigen Perspektiven, die zwischen zwei nervenaufreibenden Männern und harten Drogen dahinlebt. Angeblich ein sehr kunstvoller Film.

Confort moderne - Modern Comforts
Eine zutiefst bürgerliche Frau wird von einer Obdachlosen attackiert, verliert das Gedächtnis und findet sich mit blutbefleckter Kleidung wieder, während die Obdachlose in einem Sack davongetragen wird...

Cunnamulla
Eine Dokumentation über das australische Hinterland, wo Aborigines und Weiße streng getrennt leben und alles etwas weniger romantisch ist, als der Känguruhtourist zu beurteilen befähigt ist.

The Deep End
Eine besorgte Mutter beseitigt für ihren auf die schiefe Bahn geratenen Sohn eine Leiche, wird daraufhin mit einem Video erpreßt - und bewältigt die schrecklichsten Hürden instinktiv, als wären es ganz normale Mutterpflichten.

Drift
Ein fünfzehnjähriges Mädchen in einer holländischen Kleinstadt, behütet und versorgt von seinem 19jährigen Bruder, der nicht anerkennen will, daß seine Schwester langsam erwachsen wird: bewegende Bilder über Geschwisterliebe und schmerzliche Erfahrungen erwachender Sexualität.

Ghost World
Der Film über zwei Teenagerinnen, die nach ihrem Highschool-Abschluß alles daran setzen, nicht wie die restlichen Konformisten-Spießer ihrer Umgebung zu enden, basiert auf einer Graphic Novel von Daniel Clowes und wird mit "Rushmore" verglichen.

Heist
Der neue Thriller von Bühnen- und Filmroutinier David Mamet - immer hochqualitativ, immer klug und meist sehenswert.

I Am Josh Polonski´s Brother
Der biedere Bruder eines getöteten Schmalspur-Gangsters macht sich in New York auf die Suche nach den Mördern und gleitet immer mehr in die Halbweltszenen der unterschiedlichen ethnischen Gruppierungen ab. Gedreht auf Super-8, dann auf 35mm aufgeblasen.

in nian xia tian - Fish and Elephant
Ein chinesischer Independent-Film über die Liebe zwischen zwei jungen Frauen und die Problematik, diese Beziehung vor Verwandten und Vertrauten zu verbergen.

Lovely Rita
Der vieldiskutierte Film der Österreicherin Jessica Hausner, in dem das deprimierende Leben eines verunsicherten Nerd-Girls aus gutem Hause in einem Gewaltausbruch gipfelt.

Maelström
Fische auf dem Weg in die Dose erzählen die Geschichte von einem Mann, der die Frau liebt, die seinen Vater totgefahren hat, weil sie ihn verführt, wodurch er sein Flugzeug verpaßt, das später abstürzt. Verwirrende Absurdität - immer erfrischend.

Memento
Christopher Nolans ebenso bahnbrechender wie simpler Film ist eine der ganz großen Leistungen dieses Kinojahres. Wer den nicht gesehen hat, weiß gar nichts. Kommt im November ins Kino.

Missing Allen
Dokumentation über Kameramann Allen Ross, der sich in der Szene der UFO- und Verschwörungstheoretiker bewegte und schließlich mit Hilfe des Buchs "Die Kunst des Verschwindens" spurlos verschwindet.

Roberto Succo
Roberto Succo, ein gefürchteter Serienmörder, der während der 80er Jahre in der Grenzregion zwischen Italien und Frankreich sein Unwesen trieb, wird von Cédric Kahn ("L´ennui") porträtiert.

Science is Fiction
Ein Spezialprogramm mit mehreren Kurzfilmen über einzelne, besonders faszinierende Tiergattungen sowie über Flüssigkristalle.

Waking Life
Richard Linklaters neuer Film knüpft an sein Erstlingswerk "Slacker" an, verwendet allerdings eine neue Computertechnologie zum "Übermalen" der Filmbilder in Comic-artigem Stil.

waydowntown
In der kanadischen Stadt Calgary hat eine Gruppe junger Büroangestellter eine Wette abgeschlossen: Wer am längsten nicht ins Freie geht, gewinnt. Der Film beginnt, als die Beteiligten bereits 24 Tage ohne einen Schritt nach draußen hinter sich haben - und deutliche psychische Streßsymptome zeigen.

Y Tu Mama Tambien
Zwei Siebzehnjährige lernen eine 28jährige Spanierin kennen, und weil sie so süß und naiv mit ihr flirten, beschließt sie, einen Tag mit ihnen zu verbringen und sich auf eine Spritztour zu einen Strand zu begeben, dessen genaue Lage keiner kennt.



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Berichterstattung
(miss comment, 21.10.2001 19:14)