Lange bevor Clive Barker uns gezeigt hat, was menschliche Nadelkissen in ihrer Freizeit treiben, wußte der gefeierte Horrorautor bereits, wie man den Leser in seinen Bann zieht. Davon kann man sich dank der Neuauflage seines Erstlings "Spiel des Verderbens" erneut überzeugen.
Als seinerzeit die "Bücher des Blutes" auf den Markt kamen, war klar, daß Stephen King Konkurrenz bekommen hatte. Denn der junge Engländer Clive Barker wußte, wie man den Leser an den Haaren packt und ihm die Abgründe der Seele vorführen kann. Seine Romane waren schrecklich spannend und seine bluttriefenden Schilderungen äußerst anschaulich. Ein wenig später debütierte Barker auch noch als Regisseur und zeigte Millionen von Horrorfans in "Hellraiser" (siehe EVOLVER-Rezension) seine ganz persönliche Vorstellung von Schuld und Sühne. Als würde es noch nicht reichen, daß er die Gesichter des Horrors sowohl in literarischer als auch in filmischer Form neu definiert hatte, erobert er zudem mit "Undying" (siehe EVOLVER-Rezension) gerade die Welt der PC-Games.
Doch vor lauter Horror, Blut und Beuschel haben viele vergessen, daß Barker in erster Linie ein hervorragender Phantastikautor ist. Das hat er mit seinem Erstlingswerk "Spiel des Verderbens" zwar schon längst unter Beweis gestellt, doch leider war das Buch in deutscher Sprache seit Jahren vergriffen. Frank Festa hat es nun in seiner Edition Metzengerstein wieder aus der literarischen Mottenkiste geholt.
Zum Inhalt: Marty Strauss sitzt dank seiner Spielleidenschaft im Kitchen. Als ihm eine vorzeitige Entlassung angeboten wird, überlegt er nicht zweimal - schließlich muß er dafür nur als Leibwächter für den millionenschweren Industriemogul Joseph Whitehead arbeiten. Dieser lebt beschützt von Videokameras, Alarmanlagen und Hunden als exzentrischer Einsiedler auf seinem festungsgleichen Anwesen. Ohne viel zu überlegen, läßt Marty sich auf den Kuhhandel ein. Hätte er allerdings gewußt, was ihm bevorsteht, wäre er lieber hinter Gittern geblieben; denn sein Arbeitgeber ist vor vielen, vielen Jahren einen dunklen Pakt eingegangen.
Seite um Seite entführt uns der Autor tiefer in seine phantastische Dimension und schildert in der Folge die faszinierende Geschichte rund um den mysteriösen Spieler Mamoulian, der nicht nur mühelos in die Gedanken anderer Menschen einsteigen kann, sondern auch totes Fleisch am Verfaulen hindert (Remember: "We´ve got such sights to show you"). Mamoulian kostet jeden Zentimeter seines Rachefeldzugs gegen seinen einstigen Schüler Whitehead dermaßen aus, daß man das Buch eigentlich nicht mehr aus der Hand legen möchte. Der Autor läßt mit seinem Debütroman keinen Augenblick Langweile beim Leser aufkommen - und das ist bei über 400 Seiten doch eine ziemliche Meisterleistung.
Selten konnte ein Erstlingsroman so überzeugen. Wenn man die Lektüre einmal abgeschlossen hat, versteht man, daß Clive Barker einst als "die Zukunft des Horror" tituliert wurde. Selbst nach sechzehn Jahren hat das "Spiel des Verderbens" keinerlei Staub angesetzt.
Zur Zeit liegen noch keine Kommentare vor.
|