Hirnfressende Zombies vs. sexbesessene Studenten

Das Leben in einer idyllischen amerikanischen Kleinstadt ändert sich schlagartig, als eine Reihe brutaler Morde passiert. Mit Richard Laymons Splatter-Roman "Parasit" schlägt die großartige Edition Metzengerstein eine neue Richtung ihres Horrorprogramms ein.

Eine junge Studentin wird bei einer Fahrradtour von einem LKW-Lenker von der Fahrbahn gedrängt. Sie überlebt geschockt; der Lastwagenfahrer verbrennt in seinem Auto, als er bei seinem Manöver einen Brückenpfeiler rammt. Das Motiv für den versuchten Mord bleibt unklar - allerdings deutet eine Blutspur darauf hin, daß sich ein zweiter Insasse des Trucks aus dem Wrack retten konnte. Der ermittelnde Polizist vermutet, daß sich der Mittäter in einem nahegelegenen Gasthaus versteckt haben könnte, und warnt das dort ansässige Ehepaar vor der Gefahr. Doch die Leute nehmen seine Befürchtungen nicht ernst. Am selben Abend schießt der Mann seiner Frau eine Ladung Schrot ins Gesicht, um sie danach genüßlich zu verspeisen.

Als ein junger Horror-Fan als Mutprobe mit einer Studienkollegin die Wette eingeht, daß er allein eine Nacht an besagtem Tatort verbringen kann, mutiert er ebenfalls zu einem mordenden Zombie, der ständig neues Menschenfleisch zur Befriedigung seiner absonderlichen Gelüste braucht. Die Polizei entdeckt, daß die Ursache für diese Verwandlungen ein Parasit ist, der sich durch die Wirbelsäule ins Gehirn seiner Opfer frißt und diesen von dort die Befehle für ihre Taten erteilt. Die Situation eskaliert weiter, es fließt eine Menge Blut und es wird viel gefickt, bis es gelingt, das Wesen zu zerstören und die Stadt damit von der Bedrohung zu befreien.

Mit "Parasit" schlägt die ausgezeichnete Edition Metzengerstein im deutschen Festa-Verlag deutlich härtere Splatter-Töne an als je zuvor. Waren die Autoren, die bisher in der Reihe zu Wort kamen, eher der unheimlichen Phantastik zuzuordnen, so gehört Richard Laymon eher der jüngeren Generation von Horrorschreibern an, deren Hauptanliegen nicht das Gruseln, sondern vielmehr das Schocken seiner Leser ist. " 'Parasit' ist eines der gemeinsten, ekligsten und verrücktesten Bücher, die ich je gelesen habe", sagt Autorenkollege Joe Lansdale über den vorliegenden Roman. Mit der Ekligkeit trifft er sicher direkt ins Schwarze, denn das Buch ist mit unappetitlichen Szenen und detailverliebten Schilderungen gewalttätigen Verhaltens geradezu gespickt. Doch ansonsten kann man an "Parasit" keinerlei Innovation erkennen; die Story ist abgedroschen bis zum Gehtnichtmehr und wirkt wie eine Splatter-Version von Jack Finneys ausgezeichnetem Roman "Invasion of the Body Snatchers".

Der amerikanische Phantastikkenner und Kritiker S. T. Joshi bedauert in seinem Buch "The Modern Weird Tale" (siehe EVOLVER-Rezension) den Niedergang der unheimlichen Literatur: "Weder werden unheimliche Themen oder Situationen originell verwendet, noch verkörpern sie eine eigene Weltanschauung." Genau das ist auch das Hauptproblem von Laymons Roman. Weit entfernt von einer eigenen Philosophie oder kunstvoll gestalteten Charakteren, wird in "Parasit" gemetzelt - und keiner weiß, warum. Wer oder was dieses Wesen eigentlich ist, woher es kommt, und warum es Befriedigung erlangt, wenn seine Wirtskörper ihre Artgenossen umbringen, bleibt ungeklärt.

Ein weiterer störender Aspekt des Buches ist Laymons völlig unsubtile und fast krankhafte Schilderung der Sexualität seiner Hauptpersonen. Jeder Mann und jede Frau in diesem Buch sind erstens unglaublich attraktiv, zweitens erzählen sie ohne Unterbrechung sexistische Witzchen, und drittens sind sie 24 Stunden am Tag geil. In Laymons typischer offensichtlich sexuell frustrierter Phantasie erregen sich auch die weiblichen Hauptpersonen ständig an ihren eigenen Körpern, und das sogar, wenn sie eine halbe Stunde vorher beinahe vergewaltigt und ermordet worden wären.

"Parasit" ist ein Roman, der in der Darstellung von Gewalt und Sex explizit ist und sehr sadistische Züge trägt. Es ist unmöglich, sich mit einem der Charaktere zu identifizieren oder Mitleid mit den Opfern zu empfinden, denn sie sind allesamt dermaßen unsympathisch, daß man ihnen ihren Tod fast an den Hals wünscht. Obwohl sich das Buch flott und stellenweise amüsant liest, kommt an keiner Stelle Gruseln oder Furcht auf, denn dazu ist die Handlung viel zu voraussehbar.

Zur Ausstattung des Buches ist positiv anzumerken, daß der Festa-Verlag seine Publikationen nun als Hardcover mit recht attraktiven Schutzumschlägen herausbringt. Allerdings ist bei der Lektüre von "Parasit" doch sehr störend, daß sich auf fast jeder Seite mindestens ein Tipp- oder Rechtschreibfehler befindet. Es bleibt zu hoffen, daß dieser Versuch, sich dem billigen Horror-Mainstream anzunähern, ein einmaliger bleibt, denn Stories wie diese gibt es in den schnellebigen Trash-Reihen der Taschenbuchverlage zuhauf. Der interessierte Genreleser sollte sich von diesem Ausrutscher allerdings nicht abschrecken lassen, denn die meisten Titel im Festa-Verlag weisen doch eine deutlich höhere literarische Qualität auf.

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Traurig aber wahr
(JF, 27.12.2001 01:01)



Über den Autor:
Richard Laymon wurde 1947 in Chicago geboren und arbeitete als Lehrer und Bibliothekar, bevor er sich ganz dem Schreiben zuwandte. Er publizierte über 30 Romane und 60 Kurzgeschichten und wurde mehrere Male für den Bram Stoker Award vorgeschlagen. Im Februar 2001 verstarb er überraschend an Herzversagen.