Gewöhnliche Musikinstrumente haben eines gemeinsam: Man muß in Tasten greifen, Löcher zuhalten, Saiten zupfen oder auf Glocken, Stäbe oder Felle eindreschen. Nicht so beim Theremin: Da kommt Musik raus, sobald Sie ihm zuwinken. Andreas Winterer hat sich so ein Gerät selbst gebastelt - und berichtet im EVOLVER über seine Erfahrungen.

Digital Wavetable, FM- und Granular-Synthese, additive Klangerzeugung und Virtual Physical Modelling? Hey, alles Quatsch: Ein richtiger Synthesizer brummt analog und ist konzeptionell mindestens 80 Jahre alt. Etwa 1919 entwickelte der russische Physiker Lev Sergeyevich Termen das erste elektrisch betriebene Instrument, das transportabel und zugleich musikalisch einsetzbar war (also nicht bloß ein paar zufällige Töne hervorbrachte). Und nicht nur das: Das 1928 patentierte Thereminovox (früher zuweilen auch liebevoll Ätherophon genannt) war auch das erste Musikinstrument, das sich berührungslos spielen ließ.

Der clevere Russe ging nach Amerika, um aus der Idee ein paar Dollars zu machen, nannte sich dort Leon Theremin und vermarktete sein Gerät zusammen mit der Elektrofirma RCA. Klappte aber nicht lange: 1938 entführte ihn der russische Geheimdienst und verdammte ihn dazu, elektronische Spionage-Gadgets zu bauen. Zur Kriegsführung waren Theremine leider untauglich, und auch nach dem zweiten Weltkrieg wollte man in Rußland nichts von Levs elektronischer Musik hören. In den USA gehörten die einst als Heimklavierersatz gedachten Instrumente inzwischen auch nicht unbedingt zu den Absatzreißern, sodaß RCA die Produktion bald wieder einstampfte. So wäre das Theremin sicher ausgestorben, hätte sich nicht Synthesizerlegende Bob Moog des Geräts erbarmt. Daß Mr. Moog jedem Fan von Synthie-Musik, Progressive Rock und modernem Jazz ein Begriff ist, dürfte der Grund dafür sein, warum es heute überhaupt noch Theremine gibt.

The Sound from Outer Space

Die Big-Briar-Website listet viele Platten auf, auf denen Theremin gespielt wird; auch Leons Nichte Lydia Kavina hat eine Platte herausgebracht, die man dort direkt erwerben kann. Auf der Compilation "Ohm - Early Gurus of Electronic Music" hört man ebenfalls einige Theremine wummern, nebst anderen Exoten wie dem Mixturtrautonium, das auch bei Alfreds Hitchcocks "Die Vögel" für hörbaren Grusel sorgte. Alles in allem sind diese Platten aber harter Stoff, der nicht für Partyabende taugt.

Anders dagegen der 3-CD-Sampler "Dr. S. J. Hoffman & the Theremin": Hier liegt der Schwerpunkt nur zu 50 Prozent auf dem spacig wimmernden Theremin, der Rest ist relaxtes Abhängen in galaktischen Cocktailbars zum Sound der späten 40er, teilweise aber auch extremes Easy Listening mit hohen Nervfaktor. Wer erstmal hören will, was möglich ist, ehe er 1000 Mark für eine fixe Idee hinblättert, legt die 65 Mark in dieser seltsamen Platte dennoch gut an.

Übrigens hört man Theremine auch in der Filmmusik zu Alfred Hitchcocks "Ich kämpfe um dich", im Moral-Sci-Fi-Streifen "Der Tag, an dem die Erde stillstand", in Jack Arnolds trashigem Invasions-Movie "Gefahr aus dem Weltall" und in der naiven Shakespeare-Verfilmung "Alarm im Weltall". Auch Led Zeppelin, die Beach Boys und Keith Emerson setzten das Gerät gelegentlich ein - bei der Beach-Boys-Nummer "Good Vibrations" kann man es beispielsweise beim Refrain deutlich im Hintergrund vernehmen. Wer noch mehr wissen will, kann sich im Theremin Web Ring, wo sich auch Newsgroups, Listserver und Links zu Sound-Archiven finden, bestens informieren.

Im Nirwana der Schwingungen

Wenn man sich nicht ernsthaft fragt, wie die Wunderkiste Töne produziert, dann sollte man die nächsten zwei Absätze tunlichst überlesen - jetzt wird´s nämlich technisch.

Das Theremin basiert auf mehreren elektrischen Schwingkreisen analoger Bauweise. Was schwingt, das klingt - zumindest, wenn man einen Lautsprecher anschließt. Die Schwingkreise bestehen ihrerseits aus Kombinationen von Spulen und Kondensatoren. Ändern sich die Werte von Induktivität (Spulen) und Kapazität (Kondensatoren), dann ändert sich auch die Schwingung, also der Klang. Die Kapazität eines Kondensators ist unter anderem von der Entfernung abhängig, die seine Pole voneinander haben. Soweit zur Vorgeschichte.

Jetzt kommt der Trick: Das Theremin ist der eine Pol eines Kondensators, der Musiker selbst bildet den anderen Pol. Indem die Hände des Musizierenden sich den Antennen nähern, verändern sie also die Kapazität des Ganzen, was im Zusammenspiel mit der restlichen Elektronik zur Veränderung von Tonhöhe und Lautstärke führt. Oder so ähnlich. Glaub´ ich jedenfalls. Ehrlich gesagt: Um wirklich zu verstehen, wie ein Theremin funktioniert, muß man Elektronik-Fan mit einigem Know-how sein, aber folgendes reicht auch: Die Entfernung zwischen Händen und Antennen beeinflußt Lautstärke und Höhe des Tons.

Lizenz zum Löten

Das Theremin von Bog Moogs neuer Firma Big Briar gibt es fix und fertig, also voll funktionsfähig zu kaufen. Echte Männer greifen allerdings zum Bausatz: Mit dem "Etherwave Theremin Kit" bietet Dr. Moog uns Normalsterblichen nämlich die einzigartige Möglichkeit, unser Theremin selbst zusammenzulöten. Das ist halb so wild, wie es sich anhört. Und es lohnt sich, denn am Ende winkt das gute Gefühl, man wäre der Elektronik-Guru persönlich.

Der Theremin-Bausatz kommt in einer länglichen Schachtel daher. In derselben befinden sich Netzteil, Gehäuse, Antennen, verschiedene Einzelteile, allerlei Schrauben, zwei Videos und die Bauanleitung. Das zweiteilige Gehäuse besteht aus hochwertigem, aber unbehandeltem Holz, das Sie erst einmal lackieren müssen. Das gibt Ihnen die Freiheit, das Instrument so zu gestalten, wie Sie es haben wollen: schwarz für den Avantgarde-Jazzclub, weiß für den Einsatz im Kirchenchor, gestreift für Open-air-Auftritte in der Kalahari. Wichtig ist nur, daß die Farbe kein Graphit oder Metall enthält, denn das würde das Gerät unbrauchbar machen. Falls Sie nicht jeden Samstag im Baumarkt herumlungern, sich also eher nicht als Handwerker sehen: Es lohnt jeden Pfennig, das Gehäuse einem Profi in die Hand zu geben. Nur ein gut lackiertes Gerät ist wirklich schön - ganz im Gegensatz zur tropfenreichen Pamp-Bemalung, mit der wir schon als Kids unsere Revell-Modellflugzeuge versaut haben.

Weiter geht es, wenn der Lack trocken ist. Sie benötigen allerdings nicht nur ein paar Schraubenzieher, Schraubenschlüssel und Zangen, sondern auch Epoxydharzkleber (Zwei-Komponenten-Klebstoff, 5 Euro im Schreibwarenladen) und einen Lötkolben samt Lötzinn (30 Euro bei Conrad & Co., die billige Version reicht völlig). Wer noch nie gelötet hat und sich auch nicht traut, sollte einen Freund fragen oder lieber gleich das Fertiggerät kaufen.



Alle 2 Kommentare ansehen

So muß ein Review sein!
(Daniel Tamberg, 25.07.2001 16:54)

Theremin
(Peter J. Kraus, 24.01.2004 22:11)