Ein Nachruf auf die Fußball-Europameisterschaft 2000 - von unserem Allround-Experten Benny Denes.
Frankreich ist Europameister 2000. Das Schöne am Fußball ist, daß man den Verlauf und die Ergebnisse immer auf einen prägnanten Nenner bringen kann. Trotzdem hält dieser Sport Stammtische rund um den Erdball am Reden, und hunderte Millionen Menschen schauen sich die Fernsehübertragungen an. Bei der Beschäftigung mit dem Turnier in Belgien und den Niederlanden wurde überall auch wieder auf die Nebenerscheinungen Wert gelegt; phasen- und länderweise spielten sich ganze Seifenopern ab, deren Protagonisten die Auswahltrainer und -spieler der jeweiligen Nationen waren.
Selbsteinschätzung und -überschätzung
Da kann beispielsweise ein Land wie Österreich noch froh über den Umstand sein, daß es sich gar nicht erst für die EM qualifiziert hat. Die Spanier, die Herzog, Cerny und Co. noch in den Qualifikationsspielen gedemütigt hatten, enttäuschten in drei von vier Spielen. Sieht man einmal von der Kraftleistung gegen Jugoslawien ab - man gewann in letzter Sekunde mit 4:3 - konnten die Elitekicker aus der Primera Division in den weitgehend unbezahlten Partien nie an das Niveau anknüpfen, das sie bei den (die Champions League dominierenden) Clubs Madrid, Barcelona oder Valencia boten. Die spanische Presse ging hart mit Stars wie Raul ins Gericht, kam am Ende aber zu dem relativ nüchternen Urteil, daß die Mannschaft schlicht zu wenig eingespielt sei.
Wesentlich heftiger war da schon die Kritik an den Teams der großen Fußballnationen Deutschland und England, wo weder Presse noch Bevölkerung erkannt haben, daß ihre Mannschaften seit Jahren nicht mehr zur Elite zählen. In Deutschland wurde von der "Schande des Jahrhunderts" gesprochen, ohne daß man darüber nachdachte, daß in Kürze die Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Korea beginnt. Immerhin könnte es die Nationalelf zum ersten Mal schaffen, daß sich die Bundesrepublik Deutschland nicht für eine Weltmeisterschaft qualifiziert. Die Engländer schauten bei der Einschätzung ihrer "Helden" zu stark auf die Spitzenclubs der Premier League, in denen überwiegend ausländische Spieler (vor allem aus Frankreich, Italien und Holland) die entscheidenden Funktionen übernommen haben.
Wie man auch mit einer mittelmäßigen Mannschaft eine Menge erreichen kann, zeigten uns die Italiener, deren etwas grummeliger Trainer Dino Zoff schon vor dem Turnier sagte, daß Taktik und Stil seiner Mannschaft von der Auswahl zur Verfügung stehender Spieler geprägt seien. Nach den ersten beiden Gruppenspielen, die die Squadra Azzura gewann, gab es noch verhaltene Kritik an der destruktiven Spielweise der Mannschaft, doch spätestens mit dem Einzug ins Halbfinale verstummten diese Stimmen. Die doppelte Verteidigung der Italiener mit zwei Viererketten war die negative neue Erscheinung des Turniers.
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