Was macht einen wachen Geist aus? Vielleicht sind es Beweglichkeit und Vielfalt - und ganz bestimmt Liebe. Der Amerikaner R. Buckminster Fuller (1895-1983) war voll dieser Eigenschaften: "Doing the most with the least" ist nur einer seiner griffigen Denkansätze, die heute sprachliches Allgemeingut geworden sind. Ein Porträt von Stefan Becht.

Einen Mann wie R. Buckminster Fuller, der im Laufe seines Lebens als Marineoffizier, Transportarbeiter, Hilfskassierer in einer Fleischkonservenfabrik, Architekt, Mathematiker, Ingenieur und Autokonstrukteur, Pilot, Poet und Autor, Kosmologe, Grundlagenforscher, Medientheoretiker und Managementreformer tätig war, könnte man durchaus als Universalisten bezeichnen - was aber so nicht ganz stimmt. Viele seiner Erfindungen, wie beispielsweise das dreirädige "Dymaxion-Car" oder das an einem Mast aufgehängte "Dymaxion-Haus", kamen nie über einen Prototyp oder das Versuchsstadium hinaus. Sein Studium in Harvard mußte er abbrechen, und erst 1975 (mit 79 Jahren) wurde ihm von der Stadt New York die Architekturlizenz erteilt.

Statt akademische Titel zu sammeln, verfaßte Fuller - oder auch "Bucky", wie er von seinen Freunden genannt wurde - technische Gutachten in Gedichtform für Metallurgiekonzerne, erdachte eine poetische Theorie der Maschinenwerkzeuge und erzählte und lithographierte als Achtzigjähriger eine physikalische Erklärung der Welt und ihrer Naturgesetze in einem Kindermärchen: "Goldlöckchen und die Bären - Tetrascroll". Nicht umsonst gilt er als "Anstifter einer ökologisch-technologischen Alternativbewegung Ende der sechziger Jahre" und wurde schließlich mit dem Weltausstellungs-Pavillion "Geodesic Domes" (einer geodätischen Kuppel von 76 m Durchmesser), den er 1967 als amerikanischen Beitrag in Montreal baute, weltberühmt.

Fuller war vor allem eines: ein Visionär. "The flow of energy through a system acts to organize that system" ("Der Energiefluß durch ein System organisiert dieses System"), schrieb er einmal. Sind die angebliche Anarchie und die tatsächlich funktionierende Ordnung des Internet jemals treffender in einem Satz erklärt worden? Die Ideen und Ansätze dieses Forschers waren seiner Zeit stets weit voraus und wurden, waren sie erst einmal von ihm ins Leben entlassen, so virulent, daß sie immer wieder aufs Neue, oft erst Jahrzehnte später, von anderen aufgegriffen und gesellschaftlich relevant wurden.

"Nun gibt es", hielt er in seinem Buch "Raumschiff Erde" fest, "noch eine äußerst wichtige Tatsache, die das Raumschiff Erde betrifft: Es wurde nämlich keine Bedienungsanleitung mitgeliefert. Ich halte es für sehr aufschlußreich, daß es kein Anleitungsbuch für die richtige Bedienung unseres Schiffes gibt." Diese Sichtweise, die Erde als einen Planeten mit begrenzten Ressourcen innerhalb des Kosmos wahrzunehmen, war 1969 geradezu revolutionär und begründete die gesamte "Whole Earth-"/grassroots/grün-alternative/ Umwelt-Bewegung. Mangels der eben erwähnten Bedienungsanleitung müsse der Mensch selbst lernen, mit der Erde umzugehen und Werkzeuge sowie Konstruktionen zu entwickeln, die ihm beim Leben auf und mit der Erde helfen. "You have to do your own thinking", sagt Fuller dazu.



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