Daß ein Genre, das man in unseren Breiten am ehesten mit neudeutscher Marschmusik assoziiert, anderswo immer noch alive & well ist, stellte Alfredo Bienhomme beim "Festival di Musica Dance elettronica Derivativa 6e Edizione" in Bologna fest. Hier sein Exklusivbericht im EVOLVER.
Bei so einer Headline les´ i ned weida. Bitteschön. Hier beschimpft sich nicht der Rohrspatz, noch beschmutzt er sein gepflegtes Nestchen. We don´t talk about politics, über Revolution sowieso nicht. Techno anno 2001, was bleibt, was ging, was & überhaupt. Wien: Der Besuch diverser Veranstaltungen, sei es in den üblichen Unterhaltungstempeln (der Besuch des [Tennis]-Clubs Meierei verbittert durch Ignoranz der Betreiber resp. des Publikums; das Flex, tja, was soll man da jetzt sagen?) oder anderswo, ermüdet den Geist. Zweimal im Jahr genügt, ansonsten holt man sich einen Nervenzusammenbruch; außerdem ist das Programm zum größten Teil so, als würden die Betreiber einen Packerl-Grünen-Tee verzweifelt aufzugießen versuchen. (Nehmt mal was Frisches, ihr in euch selbst institutionalisierte, dem Studentenpack in die Arme hüpfende Ur-Checker-Partie!) Die Fear of a Kruder- & Dorfmeisterisierung des Planeten scheint noch in Ferne, aber Geschichte wiederholt sich (auch bei euch, liebe Wiener Electronik-Szene), und Wien versumpft im Disco-Morast.
Diese Ausgangslage beflügelt natürlich den Musikfreund in mir, also: ab nach Bologna, wo von 4. bis 7. April das "Festival di Musica Dance elettronica Derivativa 6e Edizione" stattfand. In einem adaptierten ehemaligen pharmazeutischen Fabriksgelände fand am 7. April auf sechs (!) Floors ein "Rave" - wenn man das jetzt so nennen will - der besonderen Art statt. Nebst Techno-Gott Carl Craig (Detroit, Planet-E-Boß) lud das LINK-Projekt (ein überaus gut strukturiertes Kulturzentrum, das fast täglich zwischen HipHop, Reggae, Techno, Kino etc. veranstaltet) ein, dazu gab´s einige der innovativsten Live-Acts/DJs Italiens. Absagen von Aphex Twin (& der Rephlex-Crew), dem italienischen Dark-Techno-Prinzen Leo Anibaldi und dem einen oder anderen ließen einen kleinen Schmerz im Herzen zurück. Aber eigentlich scheißegal, hab sie eh schon alle beim Musizieren erlebt.
Der Auftritt Carl Craigs mußte leider nach ca. einer Stunde meinerseits beendet werden, da im Hangar, wo er auftrat, die Anlage akustisch nicht mehr mitspielte. Der Hall überlagerte die Musik dermaßen, das dem bis dahin munter vor sich hinbretternden Meister selbst die Lust vergang. Zuvor wurde allerdings ein unbeschreibliches Feuerwerk an Techno-Knallern aus seiner eigenen Produktions-Werkstätte vs. Shake-Your-Body-To-Hell-Tracks geboten. Zuvor lieferte ein gewisser Volcov (Label-Chef des Mailänder Archive-Labels; phantastische Veröffentlichungen von Modaji, Theo Parrish, Reinforced-Umfeld etc. - watch out!!) die Überraschung mit einem experimentellem Techno-Set der Extra-Spitzenklasse (mixtechnisch sehr ausgereift). Auch das kann Techno sein. Dort shakte das tanzwütige - ich schätze, ca. 3000 Leute werden schon dort gewesen sein - Publikum massiv zu den abstrakten bis geradlinigen Techno-Trance-erzeugenden Tracks.
Den Sala Blu gestaltete das Roma-Label Nature Records, wobei zu später Stunde Marco Passarani einen ohrenöffnenden Live-Act von melodiösem, leicht sperrigem, (Broken)Techno lieferte, der mir so schnell nicht aus dem Kopf gehen wird. Sehr, sehr advanced. Sehr, sehr sophisticated. Label-Kollege Monomorphe vertanzte ich im Hangar, doch Ohrenzeugen waren verzaubert. In diesem Saal drückte auch die Laptop-Fraktion ihren Nasenrotz auf den Bildschirm. Mit von der Partie: Richard Devine (vom Warp-Label), diverse Schematic (USA)-Produzenten (sehr ineffizent, by the way ...) und das Phonecia-Duo, alles live. Was Pulsinger & Tunakan im genialen (untersten) Kellergeschoß fabrizierten, hätte jeder Arbeiter, der Unmengen von Schweiß genau an jenem Ort ließ, wahrscheinlich genau so gut gemacht. Soll heißen: Gegen einen begabten Werktätigen hätten die zwei wohl sicher schlecht abgeschnitten.
Was bleibt, ist der Eindruck: mehr Hallen von diesem Format (bitte auch in unseren Breitengraden, aber das erlaubt schon mal die Feuerpolizei usw. sicher nicht, was halt in Italy besser geht...) Und, ach, hab ich bereits bemerkt, daß es dort, in Bologna(!!), den ganzen Tag regnete?