Statt unpassende Geschenke umzutauschen, wirft man sie - wahrscheinlich in jeder modernen Großstadt - immer häufiger in die Mülltonne. Das stellten zumindest Forscher der Technischen Universität Berlin fest. Benny Denes berichtet wieder Erstaunliches aus seiner Heimatstadt.

Es gibt nur wenige akademische Projekte, die so spannend sind wie die Anstrengungen von Wissenschaftlern aus großstädtischen Universitäten, ihre Mitmenschen zu analysieren. In Berlin fand nach den Weihnachtstagen ein derartiges hochinteressantes Projekt statt, das von Kommunikationswissenschaftlern der Technischen Universität organisiert wurde. 18 Experten für Semiotik (Zeichentheorie) untersuchten ausgewählte Mülltonnen der deutschen Hauptstadt - und sie taten dies mit Bedacht zu diesem Zeitpunkt.

Besonderes Augenmerk wurde auf die Tonnen mit dem "grünen Punkt" gelegt, jene Abfallbehälter, die für Verpackungen aller Art gedacht sind. In den Tonnen der bürgerlichen Bezirke fanden die Kommunikationstheoretiker natürlich die Kartons und Umschläge verschiedener Weihnachtsgeschenke, insbesondere von Mobiltelefonen, Computerdruckern und Handwerksgeräten. Dagegen befanden sich in den ärmeren Gegenden der Stadt eher Hundekraftfutterschachteln, Umschlaghüllen von Automobilbüchern und Kleidungslabel-Schnipsel in den Netzen der Analytiker. In immerhin 34 von 522 untersuchten Verpackungstonnen fanden die Semiotiker auch Geschenke an sich, was nicht nur auf eine unsachgemäße Entsorgung schließen läßt, sondern auch auf einen Fehlgriff im persönlichen Umfeld der Trennmuffel.

Aber auch in den blauen Tonnen mit der Aufschrift "Papier & Pappe" wurde man fündig. Neben einer überdurchschnittlich großen Anzahl von offensichtlich nicht gelesenen Tageszeitungen der Weihnachtsfeiertage und Kalendern für das Jahr 2001 tauchten auch immer wieder neuartig aussehende Bücher auf - insbesondere von den Autoren Karl May und Astrid Lindgren. In den entsprechenden Tonnen fanden sich in 77 Prozent der Fälle gleichzeitig "Pokémon"-Verpackungen aus Karton. Einen "Harry Potter" entdeckten die Forscher übrigens nicht.

Naturgemäß war der sogenannte Restmüll größter Untersuchungsgegenstand; hier konnten die Semiotiker qualitativ die erstaunlichsten Funde machen. In 1377 Großraumtonnen entdeckten sie 43 Plüschtiere, davon alleine 22 Bären und 11 Hasen (davon wiederum 5 mit weißem Fell), 763 nicht angebissene Äpfel, mehrere ganze Tierkadaver verschiedenster Geflügelarten, zwei Äxte und einen Welpen. In der allgemeinen Tendenz befanden sich die meisten weggeschmissenen Weihnachtsgeschenke sachgemäß entsorgt im Restmüll. Hierbei ermittelten die Forscher einen durchschnittlichen Verkaufspreis von 6,83 DM (ca. öS 50,-). Allerdings gab es auch Spitzenwerte wie z. B. eine entsorgte 12-CD-Box mit Aufnahmen von "Alphornbläsern aus dem Kanton Aargau", die in den Abfallanlagen einer Einfamilienhaussiedlung gefunden und für die ein Einkaufswert von 65 DM (öS 450,-) ermittelt wurde.

Die Berliner beschenken sich gerne, jedes Jahr aufs Neue - das fanden zumindest die Forscher heraus. Sie hätten aber auch ein Problem mit der Kommunikation, fügen sie hinzu, sonst würden nicht so viele Geschenke in die Tonne wandern. Ich habe, nachdem ich von der Studie gelesen habe, die Tochter des verantwortlichen Professors angerufen, mit der ich gemeinsam das Gymnasium besucht habe. "Mein Vater hat mir Reitstiefel geschenkt, obwohl ich seit drei Jahren kein Pferd mehr bestiegen habe", berichtete sie mir. Ich habe sie getröstet: "Dein Papa hatte einfach keine Zeit, er mußte die Studie vorbereiten!"



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