Daß die deutsche Hauptstadt ein besonderes Verhältnis zum Klopapier hat, war bisher nur wenigen bekannt. Umso mehr freuen wir uns darüber, daß unser Berichterstatter Benny Denes die neuesten Entwicklungen in Sachen Verdauungshygiene nun auch der EVOLVER-Leserschaft mitteilt.

Es ist für´n Arsch. Wirklich, das ist keine ordinäre Unmutsäußerung, sondern die ganze Wahrheit über Berlins prominenteste Innovation auf dem publizistischen Sektor. Diesen Titel darf man - zumindest, wenn es um das Jahr 2001 geht - dem Klopapier durchaus verleihen. Es ist für´n Arsch gedacht und wird zunehmend als mediale Plattform mit besonderer Wirkung genutzt.

Als sich vor gut zwei Wochen im Prenzlauer Berg rund fünfzig junge Szenepoeten trafen, um eine "Strictly-Tissue-Party" zu feiern, wurde zum ersten Mal die "Goldene Rolle" vergeben. Für Sechszeiler und besonders nahegehende Aphorismen soll diese Anerkennung nun alljährlich verliehen werden. "Dieses Blatt doppelt nutzen, das Ergebnis liegt auf der Hand." Dieser Sinnspruch eines gewissen Mike Z. landete auf dem letzten Platz. Die goldene Rolle gewann Camela G., die als eine von nur drei Klopapierbeschrifterinnen an dem Wettbewerb teilnahm, mit dem etwas kryptischen Beitrag: "StuhlGangschaltung automatik! Kot red? Kacken im Stehen, jeder kann ihn sehen, das hatta nun davon, der feine Herr Baron."

Im Berlin der Gründerzeit sicherte sich ein gewisser Ludwig H. das europäische Patent auf die Nutzung von Toilettenpapier als Werbefläche. Tatsächlich ist dieser Trend also defintiv retro. In den siebziger Jahren erlebte (West-)Berlin die Hochzeit des sogenannten Laubenpieper-Spießertums (so nennt man Kleingartenbesitzer) auch in Form der Blüte gehäkelter Klopapierrollen-Ummantelungen, die die auf der Ablage hinter der Rückbank im Auto gut sichtbar deponierten Rollen vor Staub und Keimen bewahren sollten. Jeder Laubenpieper hatte so eine Rolle dabei - man konnte ja nie wissen, wann es einen überkommen würde. In den frühen bis mittleren Achtzigern lag hier (aber nicht nur hier) Toilettenpapier als Geldscheinimitation hoch im Kurs; ein Zeichen des monetären Laisser-faire der bundesdeutschen Überfluß- und Spaßgesellschaft. Dann kam die Wende und mit ihr das billig hergestellte und einer Rauhfasertapete gleichende grau-grau-gemusterte Ost-Scheißhauspapier. Feine Westberliner Schließmuskel erlitten im Wochentakt Faserrisse bei der Erkundung der Gaststätten in den Ostbezirken. Allerdings dauerte diese wahrhaft schmerzliche Erfahrung nicht allzu lange, denn auch die ehemalige Zone wurde schnell mit vierlagigen Tissue-Produkten versorgt.

Mittlerweile gibt es eCommerce rund um das für den Arsch bestimmte Klopapier. Bei der letzten Wahl zum Abgeordnetenhaus warben einige kleinere Parteien mit Rollen, auf denen ihr Logo aufgedruckt war, und die jungen Literaten der Stadt wollen demnächst in der Volksbühne eine Veranstaltung unter dem Titel "Thorarolle 2002" machen, bei der sie mit speziellen Stiften einen Fortsetzungsroman auf insgesamt drei Klopapierrollen schreiben werden.

Ich kaufe mein Klopapier nach wie vor bei Aldi (Hofer) und schätze daran die wechselnden Muster: mal sind es Blumen, mal abstrakte Figuren. Besonders letztere geben durch die Vielfalt, mit der man sie interpretieren kann, die nötige Muße beim Toilettengang. Wie sagte schon Lotti Huber: "Beim Scheißen hat man die besten Ideen!" Probieren Sie es mal aus!



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