Vom täglichen Moslem-Massaker direkt zum Weihnachtsterror: Sylvia Treudl muß trotz schlafverklebter Ohren feststellen, daß heutzutage selbst Radiohören geistesschädlich ist.
Ich weiß es. Klar weiß ich es, aber trotzdem, immer wieder passiert´s mir... Der Mensch sollte am Morgen am besten gar nichts tun. Das beschleunigt den Tagesanfang zwar kaum und ist auch nicht im Sinne der Ordentlichen, Tüchtigen und Frühaufsteher, aber da würde einem dennoch so manches erspart bleiben. Und daß es diese Tage gibt, die man/frau am besten gleich ganz ausläßt, ist sowieso eine bewiesene Tatsache. Wie auch immer - was der Mensch morgens ganz bestimmt nicht tun sollte, ist Radio hören. Zumindest nicht in Österreich. Der Mensch ist um diese Tageszeit besonders wehrlos und verletzlich, also geradezu ein prädestiniertes Opfer für Ohrenschläge, die sich tief ins Hirn fressen. Und wenn der gepeinigte Mensch, der auch ohne Radiomeldungen vor dem dritten Kaffee genug zu leiden hat, ausnahmsweise nicht mit Terror, Mord und Krieg versorgt wird, gibt es ja noch genug anderes, das quält. "Krieg" ist übrigens in der Hierarchie der Berichterstattung ohnehin gerade an unbedeutende Stelle gerutscht. "Milzbrand" zieht auch nicht mehr so, seit sich die Hysterie in Deutschland wieder gelegt hat. Geglaubt wird, was gefällt.
Also laßt uns doch Anfang November - was ja eh schon spät ist - lustig mit dem seligen Vorweihnachtsbombardement (sic) beginnen. Hier können wir dann gleich einen netten Schlenker zur Weltpolitik machen, die wir ja nicht komplett aus den Augen verlieren wollen. Auch wenn sich, wie gesagt, im Moment nichts Wesentliches tut...
Nehmen wir zum Beispiel die neueste Werbung für die "ORF Nachlese", die stets um diese Jahreszeit feststellt, daß sie lieber ein Kochbuch für Süßlis und Keksis als eine Zeitschrift geworden wäre. Dort wird beispielsweise unter der Empfehlung "Man nehme" angeraten, "eine Handvoll zerkleinerter Kochrezepte" und ähnlich Originelles zu verwenden und den ganzen Mist dann mit einem "Zuckerguß aus Afghanistan-Tagebuch" zu verzieren. Reizvoll, geradezu vollmundig. Vielleicht wäre - ganz diesem Stil verpflichtet - heuer auch ein Weihnachtsbaumdekor mit Dynamitkerzen angesagt.
Und weiter stürmt die wilde Jagd, wenn auch dieser Werbeblock nicht am geschundenen Ohr vorbeigegangen ist. Es folgen die Stadtnachrichten - noch ein Grund, sich vor dem Tag zu fürchten. Neueste Erkenntnis: Die Wiener ("Stadt der Männer") produzieren zu viel Müll. Und in der Vorweihnachtszeit (siehe oben) sind die Menschen besonders empfänglich für Tausche-schlechtes-gegen-gutes-Gewissen-Aktionen. Also empfiehlt eine nette Radiotante, mit dem Körberl einkaufen zu gehen, damit man(n?) kein Plastiksackerl kaufen muß. Spitze. Und, liebe Konsumenten, besser offene Ware erwerben als verpackte! Kommt besonders gut bei Artikeln wie Waschpulver, Reis oder Dosensuppen.
Natürlich kann der mündige Konsument auch auf seinem Recht bestehen, überflüssige Verpackung im Laden zu lassen. Ich stelle mir gerade eine Billa-Filiale vor, am liebsten am Samstagmittag, sagen wir am zweiten Adventwochenende, wenn die Einkaufenden besonders gelassen und liebenswürdig sind und nur noch vom milde Freundlichkeit ausstrahlenden Personal überboten werden. Mit einem fröhlichen Scherz auf den Lippen und dem ökologischen Bewußtsein am Winterjackenrevers packen alle in Vorfreude auf den Weihnachtsabend - quasi zum Üben - zellophanierte Käsescheiben und eingeschweißten Toastschinken aus, befreien die echten Biokarotten und Bioäpfel ("Ja, natürlich!") aus den Plastiksackerln und reißen Müsliflocken aus den Kartons.
Im Übermut der Stunde und unter den lächelnden Blicken des Personals finden ein paar ganz Schlaue auch einen Weg, Glasmüll zu vermeiden, öffnen Bier- und Weinflaschen und schütten die Getränke gleich im Laden in sich hinein, wonach sie Umstehende, die extralange Spaghetti offen in den Händen haben, zum Mikadospielen auffordern. Mittlerweile ist es dunkel und längst nach 17 Uhr geworden; das Personal will den lustigen Konsumenten aber den Spaß nicht verderben und macht gerne Überstunden, die sich noch lange hinziehen werden, denn irgendwer muß das Verpackungsmaterial ja aufräumen. Und anschließend wegwerfen. Womit ein sinnvoller Beitrag zur Müllvermeidung geleistet wäre und sich alle schon auf den nächsten Einkaufstag freuen.
Ich habe mein Weckerradio unverpackt gekauft. Was leider auch nichts hilft.