Ein in der letzten Zeit etwas übermäßig
genutzter Weg, auf sich aufmerksam zu machen, sind Kooperationen.
Neben den üblichen Remixes, Gastauftritten und Samples aus
bekannten Hits hat es sich eingebürgert, "Neuauflagen" aktueller
Alben in Fremdinterpretationen auf den Markt zu werfen. Benny Denes stellt ein besonders gelungenes Beispiel für diese
Strategie vor.
Destination of Symmetry
Den Ruf, eine schlechte Radiohead-Kopie zu
sein, konnte die junge Band aus Wales mit ihrem aktuellen Album
"Origin of Symmetry" erfolgreich bekämpfen: Muse haben mit
dieser Platte die Reifeprüfung bestanden; insbesondere der
Sänger und Multiinstrumentalist Matt(hew) Bellamy meldete
Ansprüche auf den Titel des besten Songwriters der Insel
an. Natürlich war der Erfolg des Albums, aber auch der Singles
"New Born" oder "Bliss", Anlaß genug für die umtriebige
Plattenfirma, nach neuen Wegen der Ertragssteigerung zu suchen.
Manchmal
hat man als Mitteleuropäer einen Vorteil, wenn man mitten
im November ein paar Biere in der "Atomic Bar" in Helsinki trinken
geht. Vor allem, wenn man Musikjournalist ist und die Zeichen
der Zeit zu deuten versteht. Am Tresen stehen nämlich Matthew
Bellamy und Finnlands Avantgarde-Elektroniker Jimi Tenor bei zwei
vor allem durch ihr kräftiges Blau bestechenden Cocktails.
Aus der Ferne ist am angestrengten Gestikulieren der beiden musikalischen
Multitalente zu erkennen, daß die gemeinsame sprachliche
Grundlage - vermutlich Englisch - doch noch gewisse Lücken
aufweist. Zwischen den beiden liegt ein DAT-Recorder, der beeindruckenderweise
vier Kopfhörende mit Sound versorgt. So fingert Jimi Tenor
mittendrin immer wieder am Switch-Rad des Kleingerätes herum,
um ein zufriedenes Grinsen auf Bellamys Gesicht zu zaubern.
Das
Tape, das Tenor dem walisischen Sänger vorspielte (und das
auch der Autor dieser Zeilen dank seiner Bekanntschaft mit Vertretern
der finnischen Pop-Szene hören durfte), enthielt Rohversionen
von komplett neu interpretierten Songs des aktuellen Muse-Longplayers,
zu denen Tenor schräge Beats und Noises beigesteuert hat.
Teilweise operiert der Finne mit der hohem Stimme Bellamys, was
gelegentlich etwas parodistisch wirkt. An anderen Stellen hat
Tenor Muse ihr Pathos genommen und verkürzt die Hymnen der
Band auf ein nüchternes Surrogat. Interessanterweise sind
es weniger die Singles, die besonders zu gefallen wissen, als
jene Album-Tracks, die sich in den hinteren Regionen befinden.
Ebenfalls bemerkenswert ist der Umstand, daß Tenor aus Muse
tatsächlich eine discokompatible Band gemacht hat: Einerseits
hat er die grimmigen Gitarren etwas gezähmt, anderseits ihren
Stadionrock-Drumsound geschmackvoll minimalisiert. Zusammen klingt
das Ganze etwa wie eine Mischung aus The Notwist und Air.
Das
Muse-(in the eyes of Jimi Tenor)-Album "Destination of Symmetry"
wird wohl Anfang März 2002 in die Läden kommen und kann
schon jetzt als ein Muß für alle Freunde der beteiligten
Musiker, aber auch für jeden aufgeschlossenen Elektronik-Fan
bezeichnet werden.
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