Eine interessante Strategie verfolgt
die dänische Band Aqua in Zusammenhang mit der Veröffentlichung
ihres dritten Albums: Zuerst redet sie von Auflösung - nur
um die ahnungslosen Massen wenig später mit neuer Musik zu
überraschen! Benny Denes
durfte probehören.
Aqua
Digi Killed the Anastar
Am 12. August gaben die vier dänischen Plastik-Pop-Protagonisten
namens Aqua überraschend ihre Auflösung bekannt. Dabei hatte
die Journalistenschar auf der eilig anberaumten Pressekonferenz eigentlich
Fakten über das längst fällige dritte Album erwartet, den
Nachfolger des Erfolgswerks "Aquarius". Zwei Jahre lang waren die Dänen,
die 1998 mit "Barbie Girl" einen weltweiten Nummer-eins-Hit hatten, mehr
durch Liebeleien und Drogenaffären als durch musikalische Leistungen
aufgefallen. (Die Regenbogenpresse jubelte beispielsweise über die
Liaison zwischen Sängerin Lene und a-ha-Frontmann Morten Harket.)
Inzwischen dürstete das gemeine Volk jedoch nach neuen Hymnen des
Schwachsinns und ebenso belanglosen wie rührenden Schmuseballaden
der Marke "Turn Back Time". Und darum hinterließen Aqua auf ihrer
Pressekonferenz auch so viele enttäuschte und fassungslose Gesichter.
Wahrscheinlich wäre es auch dem EVOLVER-Mann
auf dieser Veranstaltung so ergangen, hätte er nicht beste Beziehungen
zur hübschen Lene. Das gemeinsame Interesse für Hunderennen hatte
die beiden einst im umbrischen Montepulciano ihre Wege kreuzen lassen.
"Alles fake!" gesteht Lene nur zwanzig Minuten nach der schamlos inszenierten
Pressekonferenz bei einem Brötchen mit herzhaftem Havarti. Die Band
hätte endgültig genug gehabt vom Plastikimage sinnlos herumquäkender
Spinner.
"Ernste Musik, das wollten wir. Ob wir´s
auch wirklich geschafft haben, weiß ich nicht", sagt sie und legt
ein fünf Songs umfassendes Demo in den DAT-Player ein. Das neue Material
überrascht vor allem durch eine Eigenschaft: es rockt wie Sau und
groovt wie Hölle - so würden zumindest die Autoren einschlägiger
Metal-Magazine den neuen Sound der vier Dänen beschreiben. Daß
sich derartige Schreiber eines Tages für Aqua interessieren würden,
hätte wohl selbst der größte Musikprophet (Wer ist das
eigentlich? - Anm. d. Red.) nicht geahnt.
Insbesondere die potentielle Single-Auskopplung
"You Ag. Him" besticht durch eine sofort in die Beine gehende Laut-leise-Dynamik,
bei der Lene bisher unbekannte Gesangsfertigkeiten an den Tag legt. Der
Titeltrack "Digi Ana" wiederum ist von einem konsequent durchgezogenen
Breakbeat markiert, über den sich geschmackvoll arrangierte Klangteppiche
legen. Keyboarder Claus (der Glatzköpfige aus dem "Dr. Jones"-Video)
greift im zweiten Teil des Songs herzhaft in die tiefergestimmten Saiten
und erinnert stellenweise an bewährte Klampfenarbeit Marke Alice in
Chains. Wer hätte das erwartet?
Um ein erstes Fazit zu ziehen: Aqua sind ganz und
gar nicht tot. Ganz im Gegenteil, die dänische Formation hat sich
selbst neu erfunden und wird im Dezember mit "Digi Killed the Anastar"
ein hochwertiges Alternative-Rock-Album vorlegen. Reumütig entschädigt
jeder der elf Songs für die Sünden der ersten zwei Longplayer.
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