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INHALTSVERZEICHNIS...







 

 
 
 
 

"Fight fire with fire" - dafür treten nicht nur die Talking Heads ein, sondern auch eine neue jugendliche Subkultur, die sich extremer Ostländerfeindlichkeit schuldig macht. Benny Denes sprach für den EVOLVER mit Opfern, Tätern und Mitwissern.
 
 
 

Feindbild: Landsmann
 

Der Major gibt Mandy noch eine Zigarette aus dem kalbsledernen Etui, öffnet sein Benzinfeuerzeug und sagt zu ihr in reinstem Sächsisch: "Rooch ärscht mö eene!" Die blonde Raucherin nimmt einen tiefen Zug, verdreht ihr linkes Auge und atmet danach tief auf. "Isch habs jeschafft. Ey, zwee Stünden im Westen, ey, isch habs jeschafft." Endlich wieder im Osten angelangt, der Major ist stolz auf seine Freundin. Die beiden wohnen in Hellersdorf, einer großen Plattenbausiedlung am östlichen Stadtrand von Berlin. Für Sachsen ist die deutsche Hauptstadt zu einem gefährlichen Pflaster geworden, aber nicht nur für sie.

In den Medien spielt das Thema noch keine Rolle, die Polizei belächelt es, weist aber auch hinter vorgehaltener Hand auf "eine gewisse Dunkelziffer" hin. Aber auf den Straßen Berlins hat es sich herumgesprochen - es gibt eine neue Tendenz proletarischer Gewalttätigkeit: die Ostländerfeindlichkeit. In den letzten vier Monaten ereigneten sich im Westen der Stadt über zwanzig gewalttätige Straftaten gegen Bürger aus den neuen Bundesländern oder Menschen, die für solche gehalten wurden.

Eine offizielle Chronik über diese Ereignisse gibt es nicht, aber der Major, wie sie den arbeitslosen Schlosser Detlev Manske hier "in der Platte" nennen, hat sie alle im Kopf. Seine Telefonnummer steht unter einer Annonce, die täglich im größten Boulevardblatt des Berliner Ostens geschaltet ist. In der Anzeige werden Ostdeutsche, die von gewalttätigen Jugendlichen im Westteil der Stadt schikaniert oder angegriffen worden sind, dazu aufgefordert, die entsprechenden Vorfälle an Manske zu melden; im Gegenzug verspricht dieser eine psychologische Nachbetreuung. Mandy ist schon zum zweiten Mal beim Major, diesmal ist ihr "so direkt nichts" passiert, doch sie fühlte sich beim Fahrradfahren durch den Innenstadtbezirk Charlottenburg "irgendwie beobachtet und gejagt". An einer Ampel, erzählt Mandy, hätte ihr ein Autofahrer durch das herunter gekurbelte Seitenfenster gesagt: "Na, wie fühlt man sich als Sachse? He?" Mandy kann sich nicht erklären, woher diese Leute wissen, daß sie aus Mitteldeutschland käme, wie sie es ausdrückt. Manske hat dafür seine eigene Theorie: "Dit iss ja nüscht Ethnölogisches. Die gehen ooch nürr nochm wie de ussschaust. Weeßte von den Wangenknochen her, der Münd, die Öhrn. Da iss doch jeeda Hellblonde mit kurzen Haaren ein Ossi bei den Schweinen!" echauffiert sich der Major. "S´wird ja ooch imma schlümma, na? Merr hoben schön die Knie jeschlockert, wie isch mit meene Fomilie neulüsch üban Ku´damm jeloofen bin. Die Blicke von denen. Das sind doch eh fast nühur von die Ohslänner!"

Tatsächlich nimmt die Gewalt gerade gegen blonde Sachsen in den letzten Monaten immens zu. Manske freut sich, daß die Medien endlich auch auf dieses Thema zu sprechen kommen. "Immer nur, wenn die Türken oder Araber oder wasweißichwer was aufs Maul kriegen, da ist das Geschrei groß. Das kann doch aber nicht sein. Immerhin sind wir doch Deutsche!" empört sich der Major, dessen Sächsisch inzwischen eine Intensität erreicht hat, die sich graphisch nicht mehr realisieren läßt. Mandy klopft ihm auf die Schulter und verläßt die zwei Zimmer große Wohnung Manskes wieder. Sie hat sich scheinbar beruhigt. Gelegenheit für Manske, etwas über die Fälle ostländerfeindlicher Gewalt zu erzählen, von denen er in den letzten Monaten gehört hat: "Der bisher dramatischste Zwischenfall ereignete sich im Spätsommer in Wedding, als zwei Jungs hier aus Hellersdorf von einer Gruppe Westberliner Jugendlicher angegriffen wurden. Die beiden Jungs wurden übelst vermöbelt, der eine von ihnen hat bis heute Sehstörungen." Die Frage, warum sie zusammengeschlagen wurden, kann Manske auch nicht beantworten, er kennt aber das Lager, aus dem die Gewalttäter kamen: "Die Jungs haben erzählt, daß die Täter die blau-roten Jacken anhatten, mit dem Apfelaufnäher, und zu weite Hosen. Das waren mit Sicherheit Mixheads!"

Manske phantasiert nicht. In einigen Teilen der Westbezirke gibt es tatsächlich Jugendliche, die sich "Mixheads" nennen, eine Hälfe des Kopfes kahlgeschoren haben und auf der anderen lange Haare tragen. Sie sind die radikale Spitze einer ostländerfeindlichen Stimmung, die sich schon seit Jahren unter vielen Westdeutschen breitgemacht hat. Mixheads sind für eine heterogene Gesellschaft, für Schwule, Behinderte, Ausländer als gleichberechtigte Gruppen und gegen intolerante Ostdeutsche. Das Schlimme an den Mixheads ist, daß sie sich vor ihren Gewalttaten nicht die Mühe machen, herauszufinden, ob die Opfer wirklich Schläge verdient haben. Noch schlimmer allerdings ist die Tatsache an sich, daß sie brutal vorgehen.

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