Das Anbändeln zweier zueinander hingezogener
junger Menschen findet im Jahr 2001 auf immer weniger romantische Weise
statt. Jenes zarte Pflänzchen, das behutsam aufgezogen werden muß,
wird oft ganz rational auf den sexuellen Erfolgsnenner gebracht. Benny
Denes sucht für den EVOLVER nach jungen Menschen, die noch einen
Sinn für altmodische Kennenlern- und Eroberungsmethoden haben.
Der Scheinpoet
Böse Zungen behaupten, Frauen seien nur
an Geld interessiert. Aber eigentlich suchen sie auf den Scheinen nur nach
der wahren Liebe.
Manche Geschichten drohen an Formalitäten
zu scheitern. Wenn man sie hört, ist man berührt, vielleicht
läuft einem auch der oft zitierte Schauer über den Rücken,
doch spätestens drei Gedanken weiter fragt man sich: "Moment mal,
wo ist denn hier der Haken?"
Womit wir radikal das Thema wechseln: Banknoten
und Münzen sind Eigentum des Staates, und jeder Mißbrauch ist
strafbar. Wer mutwillig Geld zerstört, beschädigt oder zweckentfremdet,
dem droht eine Zuchthausstrafe von sechs Monaten bis drei Jahren. So steht
es im Gesetz.
Ein 23jähriger Grieche aus Ostwestfalen in
Deutschland führt diese beiden Erzählstränge in seiner Position
und seinen Aufrißmethoden zusammen. Wir haben ihn interviewt.
EEVOLVER: Georgios, hast
du eine Freundin?
Georgios:
Ich liebe
alle Frauen, wirklich alle.
EVOLVER: Aber vielleicht
eine ganz besonders?
Georgios:
Momentan liebe
ich neben meiner Mutter und meiner Oma noch mindestens fünf weitere
Frauen.
EVOLVER: Das nennt man
Polygamie.
Georgios:
Nicht unbedingt.
Ich habe keine feste Beziehung; es sind immer die Frauen, die auf mich
zukommen. Ich habe keiner etwas versprochen. Mein Schicksal ist, daß
ich alle Frauen liebe.
EVOLVER: Wie schaffst
du das?
Georgios:
Das ist angeboren.
Ich sehe eine Frau und finde sie schön. Ich telefoniere mit einer...
EVOLVER: Nein, wir wollen
gar nicht wissen, weshalb du angeblich alle Frauen liebst, sondern warum
sie auf dich zukommen.
Georgios:
Oh. Ich bin
Dichter. Genauso erfolgreich wie Donna Leon.
EVOLVER: Man kennt deinen
Namen (Nioplis; Anm. d. Red.) aber nicht aus den Bestsellerlisten.
Georgios:
Aber viele
Menschen haben schon einmal einen Text von mir gelesen. Ich publiziere
auf Geldscheinen. Die Notenbank ist mein Verleger, die Banken sind die
Buchhandlungen.
EVOLVER: Auf welchen Scheinen
verewigst du Deine Texte?
Georgios:
Bisher fast
nur auf deutschen und griechischen. Aber zu meiner großen Freude
kommt ja bald der Euro.
EVOLVER: Viel Platz bleibt
da aber nicht zum Schreiben, zumindest bei kleineren Werten.
Georgios:
Auf den deutschen
Zehnmarkschein paßt ein Sonett mit Überschrift und meiner Signatur.
EVOLVER: Kommen wir zurück
zu den Frauen. Was lockt sie denn nun an?
Georgios:
Das habe ich
doch schon gesagt. Die Texte auf den Geldscheinen.
EVOLVER: Und wovon handeln
die?
Georgios:
Sie sind einfach
schön. Manche sagen, sie wären belanglos, zum Beispiel, weil
sie nur von einer verwelkenden Rose in einem Garten erzählen. Oder
weil sie altmodische Floskeln enthalten. Aber - ganz ehrlich: Mich interessiert
auch nicht, was Männer dazu meinen.
EVOLVER: Kannst du ein
Beispiel zitieren?
Georgios:
Das möchte
ich nicht. In Deutschland sind mittlerweile sechshundert Scheine in Umlauf,
auf denen man Georgios´ Lyrik lesen kann.
EVOLVER: Verstehe - wahrscheinlich
willst du Nachahmer vermeiden.
Georgios:
Richtig. Die
Wirkung meiner Texte beruht aber auch und vor allem auf der Situation,
in der man sie liest. Zum Beispiel, wenn eine verlassene, traurige Frau
sich eine romantische CD kauft, sie mit einem 50-Mark-Schein bezahlt und
im Wechselgeld einen von mir beschrifteten Zehner findet.
EVOLVER: Das ist jetzt
aber sehr hanebüchen!
Georgios:
Keineswegs.
Diese Situation hat schon mehrmals stattgefunden. Ich erhalte von meinen
Verehrerinnen immer wieder Rückmeldungen, wie sie an den betreffenden
Schein gekommen sind.
EVOLVER: Wie findet denn
die Kommunikation statt?
Georgios:
Anfangs stand
meine Telefonnummer unter den Gedichten; das war aber wohl zu plump und
mir selbst auch zu riskant.
EVOLVER: Und nun signierst
du mit Deiner E-Mail-Adresse?
Georgios:
amor@hotmail.com,
genau! Das ist geheimnisvoller und schließt in unseren Zeiten keinen
mehr aus.
EVOLVER: Du bist gewissermaßen
ein High-Tech-Don Juan. Was sagen denn die Behörden dazu?
Georgios:
Bisher hat
sich noch niemand bei mir gemeldet. Aber ich tue ja auch keinem was Böses.
EVOLVER: Nur noch eine
Frage: Wie kommst du an so viele Scheine?
Georgios:
Ich schreibe
einfach auf alle Geldscheine, die mir und meiner Familie unterkommen. Mein
Onkel hat gerade an der Börse Erfolg gehabt - da erwarte ich schon
meinen nächsten Bestseller!
EVOLVER: Wir sind gespannt!
Georgios:
Danke.
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