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Die Rock- und Popmusikszene ist in den letzten Jahren global geworden - behaupten zumindest die Manager der Plattenfirmen. Trotzdem sind die Chancen, daß eine erfolgreiche Nachwuchsband aus dem amerikanischen Hinterland kommt, immer noch ziemlich groß. Benny Denes berichtet.
 
 

Isenhower
Flucht aus der Sodafabrik
 

In texanischen Dörfern kann es an verregneten Tagen sehr ungemütlich werden. Der Wind weht einem den feuchten, roten Sand - der mit seinen scharfen Kanten in die Haut schneidet, als wollte er sie abschleifen - um die Ohren und auf die helle Kleidung. Wenn man als Großstadteuropäer an einem solchen Tag durch ein texanisches Dorf geht, flößt einem die karge Natur viel Respekt ein.
 

An genau so einem Tag in genau so einem texanischen Dorf versammeln sich fünf junge Männer in einem Saloon, der wahrscheinlich auch John Wayne gefallen hätte. Sie stammen aus diesem Nest namens Solvayville und haben tatsächlich geschliffene Gesichtszüge. Wie Künstler sehen sie nicht aus, eher wie Arbeiter aus der Sodafabrik, die mit ihren Schloten das ganze Dorf überragt. Doch die fünf sind Musiker - und nicht gerade unbedeutende. Ihre Band heißt Isenhower und ist der bisher wichtigste Newcomer dieses Jahres in der amerikanischen Rockszene. Zwei Singles hat ihre Plattenfirma Mercury bisher in den Staaten veröffentlicht, und zweimal haben sie die Top 10 geentert. In diesen Tagen erscheint in den USA ihr Debüt-Album "Farewell For A Bastard" - dessen Titel stilistisch irreführend ist.

"Das lieben wir!" grinst der charismatische Frontman Jamie, dessen Stimme das Beste ist, was das Musikgeschäft in den letzten zehn Jahren hervorgebracht hat. "Verwirrspiele, being kind of wacky!" Sein Lieblingswort, "wacky", sollte nicht wie "mad" übersetzt werden, eher mit "verrückt unter einem bestimmten Aspekt". Will man Isenhower verstehen, so ist diese Feinheit nicht unbedeutend. Ihre erste Single war mit "Wack Things" betitelt: ein Übersong mit halligem Gitarrensound wie bei den Heroes del Silencio, einem Baß wie bei den Chilli Peppers und eben Jamies unvergleichlicher Stimme.
 

Gitarrist Adam kennt den Sänger schon aus der Sandkiste, er hat mit ihm und Schlagzeuger Fred vor sieben Jahren Isenhower gegründet und kann den Mythos um Jamies Stimme erklären: "Es sind seine Ohren! Er hört ein Lied im Radio, kann es beim nächsten Mal schon mitsingen und beim dritten Mal bringt er es genauso, wie es gebracht werden muß. Außer Rap hat er alles drauf!" Jamie widerspricht nicht, sondern lächelt verschmitzt, als wolle er die Worte seiner Plattenfirma, nach denen er der Schwarm aller texanischen Frauen zwischen 15 und 35 sei, bestätigen. Dabei wirkt er mehr wie ein verschlagener Dorfjunge.

"Wir haben alle in diesem Ding gearbeitet", meldet sich Bassist Michele zu Wort, während er auf den industriellen Namensgeber von Solvayville zeigt. "Da wirst du hungrig!" Der Halbitaliener stieß genau wie der Keyboarder Mr.Loan erst später zu Isenhower. "Die Jungs waren eine klassische Garagenband, so ein three-piece eben, das Musik nach Feierabend macht, so wie andere Leute zum Sport gehen." Nach Garagenband hören sich die fünf werdenden Superstars heute nicht mehr an, eher wie eine Stadion-Rockband, die den Massengeschmack bedient, ohne dabei für Musikkenner allzu peinlich dazustehen. Ihr US-Durchbruch mit ihren intelligenten, komplex aufgebauten Songs kommt in einer Zeit, da Rock entweder mit New-Metal-Einheitsbrei à la Limp Bizkit oder "Christian Rock" der Marke Creed gleichgesetzt wird.

"Das war ein großes Problem", sinniert Jamie über die Tage, als sie sich den Hintern abspielen mußten, um einen guten Plattenvertrag zu bekommen. "Wir als Band mit einer Vision, einer großen Vision, mußten A&R-Manager im Grunde davon überzeugen, daß U2, The Cure oder Pearl Jam bessere Musik gemacht haben als N´Sync oder Tittney - kind of wacky, oder etwa nicht?" Da ist es wieder, jenes Wort, das sich der Produzent des Albums, Bob Rock, wohl auch des öfteren anhören mußte. Der bekannte Knöpfedreher, der unter anderem auch Metallicas "Black Album" produziert hat, verlieh den 14 Tracks große atmosphärische Dichte und sorgte für eine organische Verbindung von handgemachten und elektronischen Komponenten in Isenhowers Musik.

Adam erinnert sich an den Tag, als die fünf erfuhren, wer ihr Debütalbum aufnehmen würde: "Hey, das war phantastisch, denn es war zufällig der Tag, an dem Fred und ich in der Fabrik aufhörten. Wir erzählten unseren Nachbarn am Kessel 'Wir fahren nächsten Monat in Bobs Studio, um ein paar Songs aufzunehmen'Ç und die Kollegen sagten 'Bob? Bob who?' Als wir dann erzählten, daß es sich um Bob Rock handelt, hat uns das echt niemand geglaubt, obwohl uns die Leute aus Solvayville wirklich gut finden. Nach den Aufnahmen haben wir dann Photos herumgezeigt, und da wußten auch die Leute aus dem Dorf, daß wir es schaffen würden."

Allein im April und Mai dieses Jahres konnten Isenhower in den USA schon über 1,5 Millionen Singles verkaufen; das Album plazierte sich in der ersten Verkaufswoche auf vier der Charts, vor Britney Spears und Carlos Santana. "Farewell For A Bastard" wird im Herbst des Jahres auch in Europa erscheinen. Keep your eyes wide open for that wacky thing!
 
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