Video_Cypher

Eine Zukunft für BWL-Studenten

Das Sein und das Nichts: Vincenzo "Cube" Natalis dystopische Visionen im Hochglanz-Style würden selbst dem großen Philip K. Dick zur Ehre gereichen.    26.01.2004

Never forget who you are. Nichts sollte sich Jack Thursby (Jeremy Northam) mehr zu Herzen nehmen als diesen Leitspruch (der auch als offizielle Tagline der Film-Originalfassung fungiert). Denn eigentlich gibt es keinen Jack Thursby. Thursby heißt an und für sich Morgan Sullivan. Weil Sullivan im Zuge seiner Tätigkeit als Wirtschaftsspion seine Identität gegen die des Jack Thursby ausgetauscht hat. Oder auch nicht. Denn als alptraumhafte Visionen und eine geheimnisumwitterte Femme fatale (Lucy Liu) auf den Plan treten, beginnt die Fassade seiner Identität(en) gleich wiederholt zu bröckeln. Wer ist er wirklich? Was wollen all diese Menschen, die plötzlich hinter ihm her sind, von ihm? Wem ist noch zu trauen? Und was haben diese Hampelmänner von Managern im Sinn, in deren Gesellschaft er sich regelmäßiger Gehirnwäsche unterziehen muß (vortreffliche Parabel, by the way)?

"Was wäre, wenn Franz Kafka einen James-Bond-Film schreiben würde?" fragte sich der Kanadier Vincenzo Natali, als es daran ging, dem klaustrophobischen Alptraum "Cube", einem der - im Verhältnis Kosten/Einspielergebnis - erfolgreichsten Filme der letzten Jahre (von diversen Wackelkamera-Hexenjagden einmal abgesehen) einen mit weit größerem, wenngleich verglichen mit ähnlichen Produktionen immer noch bescheidenem Budget ausgestatteten Nachfolger nachzuschießen. Was wäre aber auch, wenn man die dystopische Gedankenwelt eines Philip K. Dick auch nachweislich weiterspinnen und -denken würde, anstatt sich in schlechten Adaptionen seiner Kurzgeschichten zu ergehen wie zuletzt - ausgerechnet - der (ehemals) große John Woo? All das wäre, all das ist "Cypher". Wo sich Wirklichkeit, Illusion, Verschwörung und Trugschluß zu abstrusen Schreckgespenstern vereinigen, da entfaltet das vertrackte Drehbuch von Brian King seine beängstigende Wirkung. Getragen von den bestechenden Darstellerleistungen von Jeremy Northam (wer hat da Fox Mulder gesagt?) sowie "Engel für Charlie" Lucy Liu und der kühnen, eisigen Ästhetik graublauer Bilder unterstreicht dieser komplexe Mix aus Sci-Fi-Utopie, Agenten-Thriller und Film noir neben dem erstaunlichen Talent Natalis auch die Tatsache, daß sich postmoderne Sinnsuchen nicht nur in Scheinphilosophien und dümmlichen "Matrix"-Mythologien erschöpfen können, sondern auch in etwas ganz anderem. Worin, das soll hier nicht verraten werden. Empfehlung.

 

Christoph Prenner

Cypher

ØØØØ 1/2


Miramax/MC-One (USA 2002)

DVD Region 2

92 Min. engl. OF und dt. Fassung, mit einblendbaren dt. und engl. UT

Features: Trailer, Biographien

Regie: Vincenzo Natali

Darsteller: Jeremy Northam, Lucy Liu, David Hewlett u. a.

 

Links:

Cypher - Special Edition

ØØØØØ

zusätzliche Features:


Audiokommentar von Regisseur Vincenzo Natali, Drehbuchautor Brian King, Szenenbildnerin Jasna Stefanovich und Darsteller David Hewlett; Kurzfilm "Elevated" mit Audiokommentar von Regisseur Vincenzo Natali und Darsteller David Hewlett; The Making of "Cypher"; Interviews mit Cast & Crew; Behind-the-Scenes; Pre-Visualizations; Deleted Scenes; isolierte Filmmusik; Multi-Angle Storyboard/Film-Vergleich; Photogalerien; Trailer; Biographien; Production Notes

Kommentare_

Kino
Viennale 2012/Journal III

Me vs. The Mob

Im finalen Teil der EVOLVER-Festival-Berichterstattung müssen sowohl Woody Harrelson als auch Mads Mikkelsen mit einem ihnen feindlich gesinnten Umfeld fertig werden - freilich aus ganz unterschiedlichen Gründen. Hereinspaziert in "Rampart" und "Jagten".  

Kino
Viennale 2012/Journal II

Sehen und Raunen

Alte Helden, neue Helden: Takeshi Kitano findet in "Autoreiji: Biyondo" langsam wieder zu seiner Form zurück, verheddert sich aber letztlich zu sehr in der Handlung. Dafür darf Ben Wheatley nach "Sightseers" endgültig in die Riege der erstaunlichsten europäischen Regisseure aufgenommen werden.  

Kino
Viennale 2012/Journal I

Perspektiven-Rausch

Bleibende Eindrücke der ersten Viennale-Tage: Die akribische Doku "Room 237" zerlegt "The Shining" in alle Einzelbilder, die große Matthew-McConaughey-Schau "Killer Joe" dafür Hendln in mundgerechte Portionen.  

Kino
Das Bourne Vermächtnis / Interview Jeremy Renner

Der zweite Mann

Plötzlich A-List: Spätestens seit seinen Auftritten im "Avengers"-Film und im vierten "Mission: Impossible"-Teil gilt Jeremy Renner als Hollywoods kommender Superstar, auch wenn er darin eher nur in der zweiten Reihe stand. Im aktuellen "Bourne"-Sidequel spielt er nun auch erstmals in einem Blockbuster die Hauptrolle - zumindest so lange, bis Matt Damon wieder zurückkehrt. Der EVOLVER hat den 41jährigen zum Interview getroffen.  

Kino
/slashfilmfestival 2012

Sieben /slash-Schönheiten

Daß das /slashfilmfestival im Wiener Filmcasino eine gar nicht genug zu lobende Bereicherung der heimischen Kinolandschaft darstellt, hat sich längst herumgesprochen. Der EVOLVER stellt ausgewählte Glanzlichter des dritten Durchgangs vor.  

Kino
Viennale 2011/Journal III

Sturm und Zwang

Das dritte und letzte Kapitel unserer Viennale-Berichterstattung steht im Zeichen der Unruhe vor dem Sturm - und damit der beeindruckendsten Arbeit des Festivals: "Take Shelter".