Anfang Mai feierte eine Unterhaltungselektronikkette im Wiener Ronacher ihr 10jähriges Jubiläum. An der Mixtur aus "Falco Cybershow"-Medley und unternehmerischer Selbstverherrlichung war vor allem eines bemerkenswert: die Weltpremiere des Avatars "Virtuella". Klaus Hübner berichtet.
Der goldene Rahmen wird mit wachsender Entfernung vom Bild größer. Diese Binsenweisheit hat definitiv Gültigkeit, wenn es um Epochen-Nostalgie geht. Manche kleben sich einen Doppeladler an ihr Auto, ohne zu bedenken, daß die Leute zu Kaisers Zeiten ins Stiegenhaus pissen mußten, weil es keine Klos gab. Andere gehen ins Ronacher, ziehen sich Paulus Mankers "Falco - A Cybershow" rein und bekommen eine Gänsehaut, weil die 80er Jahre so toll gewesen sind.
Tatsächlich ist es 20 Jahre und damit für heutige Verhältnisse eine Ewigkeit her, daß Falco ein internationaler Popstar war - und vor allem, daß er brauchbare Musik gemacht hat. In den 90ern war er kurz und gut komplett zu vergessen. Daß man sich überhaupt an ihn erinnert, liegt daran, daß er Ende der 90er gestorben ist und die provinzielle Showbiz-Industrie Österreichs mit einer beispiellosen Cash-in-Leichenfledderei begann. Deren jüngstes Ergebnis ist eben das Rock-Musical im Ronacher, zu dessen Ehren Herr Manker den gesamten Bühnenraum in eine neumoderne "Stage" im Klammeraffenschnitt umbaute, um darauf ein internationales Konsortium aus Tänzern, Sängern und Musikern beim Vortrag von Falco-Coverversionen zwischen Pyro-Effekten und Lasershow ordentlich aufgeigen zu lassen.
Aber kommen wir zum MediaMarkt. Für das zehnjährige Jubiläum dieses Unternehmens bestellten dessen Chefitäten ein Derivat der Falco-Cybershow, das mit lustigen Anekdoten aus der Geschichte der Elektrokette durchmischt werden sollte. Nachdem anzunehmen ist, daß es dafür die dreifache Gage gab, war das Cybershow-Team geschlossen dabei. So wurde denn bei vollem Haus - allesamt geladene Gäste, darunter zahllose MediaMarkt-Mitarbeiter aus dem ganzen Land, die eine wilde Mischung aus österreichischen Akzenten ins altehrwürdige Ronacher trugen - eine stark verkürzte "Falco Cybershow" aufgeführt, immer wieder unterbrochen von MediaMarkt-Product-Placement. Das ging soweit, daß z. B. während einer Begräbnisszene die erste Zeile des "Vater unser" in "Our Father who art from MediaMarkt" umgewandelt wurde, wozu man wirklich nur gratulieren kann, weil es einen der amüsantesten Momente der Show entstehen ließ. Als Höhepunkt gebar dann eine junge Tänzerin aus dem Osten einen orangefarbenen Gummibalg, der mit einer meterlangen, von MediaMarkt-Logos gezierten Schleife an ihrem Unterleib befestigt war. Diese Schleife wurde unter dem Jubel blutbefleckter Chirurgendarsteller, die Gummihandschuhe ins Publikum warfen, über die Köpfe der Zuschauer auf den billigen (Steh-)Plätzen gespannt (beginnend unter dem Rock der Tänzerin) - was als Begrüßung der neugeborenen MediaMarkt-Tochter "Saturn" verstanden werden wollte. Hut ab - eine geschmacklich derart verwirrende Szene hat das Ronacher sicher noch nie gesehen. Tolle Sache!
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