Der "Labels"-Verbund im Hause Virgin Music ist nicht nur ein Sammeltopf kleiner Plattenfirmen, sondern das beste Beispiel für eine funktionierende Kooperation zwischen Indies und Major-Companies. Bei der "Labels"-Night im Wiener WUK präsentierten sich Simian, S.I. Futures, The Notwist, Royksopp und die Sofa Surfers vor ausverkaufter Halle einem interessierten Publikum. Roman Schilhart war für den EVOLVER dabei.

Große Plattenfirmen sind ständig auf Einkaufstour. Konkurrenten werden geschluckt, kleine Indie-Labels erworben und Fusionen arrangiert. Auf diese Weise entstehen Schritt für Schritt riesige Musikkonglomerate, in denen die Identität der einzelnen Sub-Labels meist untergeht. Dabei sind gerade jene kleinen Zellen kreativer Musikproduktion heutzutage der wahre Reichtum für ein großes Entertainment-Unternehmen, stehen sie doch für einen bestimmten Charakter, eine bestimmte Attitüde sowie einen bestimmten Sound und definieren sich darüber hinaus durch ästhetische Maßstäbe wie z. B. Covergestaltung, Label-Logo und Produktdesign. Man denke nur an die Standards, die Blue Note in den 60er und 70er Jahren in diesem Bereich gesetzt hat. Indie-Labels stehen auch im neuen Jahrtausend als Garant für Qualität und sind durch ihren Symbolwert in der Lage, individuelle Bedürfnisse und den Wunsch nach Alternativen zu repräsentieren.

Ein positives Beispiel für den Umgang mit Künstlern und ihrer Musik hat die Firma Virgin mit dem weltweiten "Labels"-Konglomerat gesetzt, das aus vielen unabhängigen Plattenfirmen besteht. Zu diesem Verbund gehören englische, französische und amerikanische Indies wie Source, We Love You, Wall Of Sound oder Nova Mute sowie die beiden deutschen Firmen City Slang und Bungalow. Sie alle bilden als "Labels" eine Unterabteilung der Major-Company Virgin, die für den Vertrieb der Acts sorgt und Budgets für Marketing, Aufnahmestudios, Reisen und andere Posten zur Verfügung stellt. Was die Kooperation von Indies und Majors betrifft, ist dieses Modell nicht nur das neueste, sondern erscheint auf den ersten Blick als das vielversprechendste und einleuchtendste. Lokal casten und aufbauen, global agieren und vermarkten - die kleinen Labels partizipieren von den größeren Möglichkeiten eines Majors vor allem in Sachen Vertrieb und Marketing innerhalb ganz Europas. Und der Major bekommt im Gegenzug Credibility, kann junge Talente besser sichten und hält sich damit Optionen auf die Zukunft offen.

Von der musikalischen Vielseitigkeit von "Labels" konnte man sich am 30. Oktober im Wiener WUK überzeugen. Vier Bands und Live-Acts aus Norwegen, England und Deutschland waren angereist, um vor ausverkauftem Haus und der internationalen "Labels"-Mannschaft aufzuspielen. Die Tatsache, daß bereits um 21 Uhr keine Tickets mehr verfügbar waren, spricht für das große Publikumsinteresse an den Künstlern sowie die clevere Promotion im Vorfeld. Simian aus Manchester (siehe EVOLVER-Interview) eröffneten den Reigen und wärmten die Halle mit ihrem watteweichen Psychedelic-Pop, der aufgrund des mehrstimmigen Falsettgesangs und der verschwommenen Arrangements wie eine Update-Version von Pink Floyd wirkte.

Als nächstes betraten The Notwist die Bühne (siehe EVOLVER-Interview), und schnell war klar, daß sie die erklärten Publikumslieblinge des Abends waren. Ihr solider, linearer Post-Rock mit Elektronikanleihen machte Appetit auf ihr kommendes Album, doch auch auf ältere Hits wie "Chemicals" oder "Day 7" mußte man nicht verzichten. Mit etwa 45 Minuten bestritten sie den längsten Auftritt des Abends, während sich die restlichen Künstler mit ca. 30 Minuten zu begnügen hatten.

Aus Bergen in Norwegen kam der Wall-of-Sound-Act Royskopp. Die beiden jungen Männer zauberten aus ihren Keyboards und Drum-Pads eine energiegeladene, kraftvolle Performance zwischen Elektro, House und Pop und hatten sichtlich Spaß daran, ihre Instrumente auf der Bühne zu mißhandeln. Der Funke sprang schnell über und veranlaßte das Publikum zu kollektivem Kopf- und Hüftwackeln. In der folgenden Umbauphase ließ Wolfgang Schlögl von den Sofa Surfers, dem neuesten Signing im Hause Virgin, seine Platten drehen. Wie so oft bei ausverkauften Konzerten nützten die meisten Menschen die Pause jedoch lieber zum Luftschnappen und Regenerieren im Hof. Den fulminanten Schlußpunkt setzte schließlich Si Begg alias Buckfunk 3000 alias S.I. Futures, dessen Laptop-generierter Break-Step-Wahnsinn zwar nicht viel fürs Auge bot, aber alle Tanzfüße in Bewegung brachte. Seine zwitschernden, rollenden, grummelnden Sounds und Beats verjagten in kurzer Zeit etwa ein Drittel des verbliebenen Publikums, aber jene, die ausharrten, bekamen in typisch britischer Manier ordentlich eins drübergebraten.

Im Anschluß an die Live-Gigs gaben die FM4-DJs Abraxas und Tschamba Fii ihre Vinyl-Delikatessen zum besten; die meisten Menschen zog´s nach der komprimierten Ladung superleiwander Bands allerdings wieder ins Freie. Im Hof bildeten sich heitere Diskussionsgruppen, die Stimmung war zufrieden und entspannt. Schade eigentlich, daß Showcases wie die "Labels"-Night für gewöhnlich nur im Rahmen von internationalen Branchen-Meetings wie der Popkomm in Köln stattfinden und in Wien nur selten zu bewundern sind. Immerhin hat der Ansturm auf die Tickets gezeigt, daß es auch hierzulande eine große Gruppe von Menschen gibt, die niveauvolle Unterhaltung zwischen Rock und elektronischen Sounds goutieren und sich ohne Scheuklappendenken sowohl für Gitarren-Riffs als auch für Beats aus der Dose interessieren - genau jene Mixtur, die die Vielseitigkeit der zahlreichen Protagonisten im "Labels"-Stall auszeichnet.



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