Das erste Mal fiel der Name Accelera Deck 1997 auf einer Split-EP für Endorphin Records. Harsche Cut-ups von Old-School-Drumloops, kombiniert mit schönen Ambient-Layern, waren da zu vernehmen. Sein neues und gleichzeitig letztes Album zollt noch einmal den Großen des experimentellen IDM (Intelligent Dance Music, wer´s kennt) Tribut.
Nicht nur kreativ, sondern auch fleißig war er, wie man an den zahlreichen Releases seiner Diskographie unschwer erkennen kann. Nur allzugern erinnert man sich an "Narcotic Beats" (Endorphin Records), "Conviction and Crack" (Pitchcadet) oder "Halo" (Morr Music) - die Compilation-Beiträge möge sich bitte jeder selbst heraussuchen.
Man könnte den Amerikaner Chris Jeely also zu den "Wizkids" zählen, wenn auch zu jenen, die nicht so bekannt wurden wie die wirklich großen Namen der Branche. In seinem speziellen Fall kann das nur am Marketing liegen, also an der Faulheit der Labels, aber nicht an der Qualität der Musik - ein Schicksal, das er übrigens mit vielen anderen Elektronikkollegen teilt.
Jetzt will er so nicht mehr weitermachen und setzt kurzerhand einen Schlußpunkt unter Accelera Deck. Sein neues Projekt, ein Gitarrenduo, steht schon fest, der Name noch nicht. Auf jeden Fall arbeitet er ab jetzt zu zweit weiter; eine Übersiedlung von den südlichen Gefilden der USA in die magnetischeren Regionen des Nordens steht ebenfalls bevor. Lee Norris, Labelboß von Neo Ouija, fungiert als Nachlaßverwalter und veröffentlicht Accelera Decks Abschiedsalbum mit Stücken aus den Jahren 1999-2000. Und das ist gleichzeitig auch das einzige "Problem".
Wirklich neu klingen die Tracks nämlich nicht gerade; zu sehr haftet ihnen noch das "Hilfe-ich-werde-von-der-Matrix-eingesaugt"-Trauma der Hightech-Electronica der späten 90er an. Ja, wir haben das alles schon einmal gehört, nicht besser, nicht schlechter, nur sehr ähnlich - Jegas verkanntes Meisterwerk "Geometry" etwa oder eben Vendor Refills phantastisches "Stable", von den Produkten des Labels MAS (Musik aus Strom) ganz zu schweigen. Im nachhinein verwundert es auch nicht, daß Jeely zum Freundeskreis der genannten Musiker zählt.
Viele haben sich wahrscheinlich schon gefragt, was eigentlich unter den Spitzen der Eisberge (Autechre, Aphex Twin, Funkstörung, Arovane, Phoenecia, Plaid etc.) liegt. Die Antwort: eine unüberschaubare Grauzone von Klein- und Kleinstlabels, Tausende Interpreten mit weniger klingenden Namen, aber manchmal besser klingenden Scheiben. Berücksichtigt man die Tatsachen, daß heute selbst in der Außenseitersparte "Elektronische Musik" viel mehr veröffentlicht wird als vor zehn Jahren und der Produktionsstandard allgemein doppelt so hoch liegt, so wird es immer schwieriger, die Spreu vom Weizen zu trennen.
Zurück zu Accelera Deck: Braucht man die Werke dieses Herrn auch wirklich in seiner Sammlung? Aber natürlich! Beonders empfohlen sei dem interessierten Novizen daher "Halo.ep" (Morr Music), mit Sicherheit eine seiner besten und trippigsten Scheiben. Der Nachlaß "Digital Haedrest" ist jedoch eher etwas für Sammler; es finden sich darauf wirkliche experimentelle Perlen, schöne Pentatonik und nachdenkliches Melodienallerlei sowie eine ganze Menge noisig-industrieller Raumschrott der letzten Jahre - alles in allem eine gelungene Mischung, die sicher nicht fade daherkommt. Außerdem bietet das Album eine kleine Werkschau Accelera Decks. Wer sich näher für dieses Material interessiert, wird auch erfreut sein, daß noch viele seiner Werke im Backorder-Angebot erhältlich sind.