In den frühen 90er Jahren machte sich von Sheffield ausgehend eine Strömung breit, die als "High Intelligence" in die Musikannalen einging. Andre Estermanns Werk "Balloon" erinnert nicht ohne Grund daran.
Das geistige Ohr des Rezensenten wandert in die Vergangenheit, auf der Suche nach vergleichbaren Tonträgern. Wehmütig wird ein paar alten Black-Dog-Scheiben gelauscht, B12 und die "Artificial Intelligence"-Compilations (alle auf Warp) sind auch nicht weit entfernt, und eigentlich hätten es die letzten Veröffentlichungen von Yunx oder Sense (siehe EVOLVER-Rezension) schon früher zeigen sollen: "Black Dog"-Style ist wieder groß in Mode.
Lüften wir also ein Geheimnis: Was ist denn eigentlich so besonders an den alten "Black Dog"-Releases wie etwa "Spanners" (Warp/1993)? Da wäre zunächst einmal die ungeheure Menge an Kreativität, die selbst bis in den kleinsten Loop hineinreicht, was dazu führt, daß sich die Songs in unseren Köpfen verselbständigen, einen eigenen Bezugspunkt bilden etc. Weiters kennzeichnet auch eine etwas exotische Klangmischung den "Blackdoggy-High-Intelligence-Style"; von Tablas bis Beduinenflöten und Ethno-Drums reichte seinerzeit das Sample-Arsenal. Das führt logischerweise dazu, daß man diese Scheiben beliebig oft hören kann, ohne daß einem je langweilig wird. Das also ist es - freilich sehr vereinfacht und grob umrissen.
Andre Estermann begann seine Musikkarriere vor vielen Jahren wie alle anderen auch: als Techno-DJ. Seine Diskographie listet Veröffentlichungen wie "Moelhoven: Tipsy Tones" (Eevo Lute/1997), und auch auf dem niederländischen Label Djax-Up-Beats erschien die eine oder andere EP. Schon damals, sozusagen inmitten seiner Technowurzeln, zeichnete sich jedoch ab, in welche Richtung das alles einmal gehen würde. Die Kritiker konstatierten Einschlägiges in Richtung Skam, sowie LoFi-Distortion und Kinder-Melodien wie afx. Was ja bekanntlich nie schlecht ist und auch gar nie schlecht sein kann!
Irgendwann kreuzten sich Estermanns Wege mit denen von Michael Fakesch und Chris de Luca von Funkstörung, und es erschien eine der besten Maxis (auf dem Label Musik aus Strom), die je das Licht der Welt erblickten: Die 12-Inch "Dex" war sicher mitverantwortlich für den steilen Upspin, den das damals noch junge Label erleben sollte. Gemeinsam mit Michael Fakesch entstand später auch die Kollaboration "Aemic: Aleph" - ein weiterer Beweise dafür, daß langsam, aber sicher eine Verschiebung des kreativen Zentrums elektronischer Musik von England in Richtung Deutschland stattfindet. Einige Nummern, sowohl von "Dex" als auch von den beiden "Aemic: Aleph"-Releases, finden sich übrigens in leicht adaptierter Form auch auf dem brandneuen Estermann-Release "Balloon".
Mal luftig plätschernd und voll von ätherischer Schönheit, mal "funkgestört" Loop-gehäckselt und Plug-in-gestretcht fließen die Nummern in unsere allzeit bereiten Kinderherzen, abwechslungsreich und avantgardistisch, "blackdoggy" eben. Estermann demonstriert durchaus eindrucksvoll, daß pentatonische Komposition noch lange nicht ausgereizt ist und "High Intelligence" auch im Zeitalter der organisierten Massenverblödung wieder zu Ehren kommen wird. Da in Zukunft noch mehr solcher Releases zu erwarten sind, macht es ab sofort auch wieder ganz viel Spaß, in die Plattenläden zu schlendern und probezuhören!
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