Viel zu lange hat man nichts von Laurie Anderson gehört. Jetzt meldet sie sich mit einem Album zurück, das den Trend zur modernen, cool-kühlen Elektronik erfreulicherweise links liegenläßt.
"Home of the Brave" hieß Laurie Andersons erfolgreichste Produktion bisher - eine Konzerttour, aufgebaut als Multimediaspektakel und in ihrer Art der Präsentation sehr stark an "Stop Making Sense" der Talking Heads erinnernd. Anderson war damals fast schon ein Popstar, nachdem ihre achtminütige Single "O Superman" aus dem Album "Big Science" völlig überraschend die europäischen und amerikanischen Hitparaden emporgeklettert war.
Glücklicherweise ließ sich Laurie Anderson damals vom Erfolg nicht beirren und präsentierte sich und ihre Arbeit weiterhin fernab vom Mainstream-Geschmack, wodurch sie auch bald wieder im Underground verschwand und im Laufe der Jahre ihren Status als Avantgarde-Künstlerin festigen konnte. Ihr bisher letztes Album "Bright Red" erschien 1995; seither ist es sehr still um die nunmehr 54jährige Musikerin geworden.
Ohne große Ankündigungen erscheint nun plötzlich ein neues Album von Laurie Anderson - "Life On A String", dessen Titel mehrere Interpretationen zuläßt. Bezieht sich das Wort "String" auf die Saiten ihrer Violine, die sie nun nach langer Zeit wieder einmal in den Mittelpunkt ihrer musikalischen Kompositionen stellt? Oder bedeutet die Phrase eher "ein Leben auf dem Sprung"? Die Freiheit des Individuums war ja von jeher Andersons großes Thema.
Auch auf der neuen CD drehen sich die meisten Songs um eben dieses Thema: In "Statue of Liberty" lassen Textzeilen wie "Freedom is a scary thing. Me, I keep my distance. I´m always leaving. That´s just my way" keine Zweifel an Laurie Andersons Weltsicht aufkommen. Doch trotzdem findet sich auch eine offensichtliche Liebeserklärung an ihren Lebenspartner Lou Reed unter den Stücken: In "My Compensation" besingt sie Reeds Gehirn als Zentrum ihrer Zuneigung für ihn - eine vielleicht etwas aufgesetzt intellektuelle Art von Liebesbeweis. Andere Stücke drehen sich um gefallene Engel, Wale, fremd anmutende Inseln und die Verarbeitung des Todes ihres Vaters.
Musikalisch dominiert auf "Life On A String" ganz deutlich die spartanische, fast kammermusikalische Instrumentierung der Stücke. Andersons Violine steht dabei ganz besonders im Vordergrund, was dem ganzen eine sehr melancholische Note verleiht, obwohl die Künstlerin selbst diesen Effekt überrascht kommentiert, denn eigentlich sei es ihr während der Aufnahmen zur Platte doch sehr gut gegangen.
An Gastmusikern sind an erster Stelle der neue Starbassist Skuli Sverrisson von Mo Boma zu nennen (eine "Entdeckung" von Jon Hassell); aber auch Van Dyke Parks, der mit seiner Musical-theatralischen Instrumentierung eines Stückes den absoluten Schwachpunkt des Albums geschaffen hat, sowie der Elektroniker und Mitproduzent Hal Willner, Peter Scherer an diversen Keyboards, Bill Frisell und Lou Reed an der Gitarre und Joey Baron am Schlagzeug.
Insgesamt ist "Life On A String" ein weiteres Stück akustischer Poesie, das sich ohne große Überraschungen und mit Stille und Unauffälligkeit ins Gesamtwerk von Laurie Anderson einreiht. Glücklicherweise ist sie bei ihrer neuen Platte nicht dem Fehler verfallen, möglichst viele "moderne" Musikstile in ihre Musik einzubauen, so wie es David Bowie zum Beispiel immer wieder mit mäßigem Erfolg versucht. Allerdings geht sie auch nicht völlig an den neuen Trends vorbei, sondern integriert sie behutsam in ihre Art des Komponierens. In einem Interview sagte sie kürzlich, sie habe momentan genug von der kühlen Elektronik, die in den letzten Jahren so populär geworden ist, deshalb sei die Platte auch so akustisch ausgefallen.
Und allein dafür muß man Laurie Anderson schon danken.
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