Die jüngste Neuauflage des amerikanischen Traums ging beim großen Crash der Dot.coms bankrott. Mit betroffen: ein paar Ideale, Freundschaft und viel Geld.
Man erinnert sich: Die Goldgräberstimmung bei Internet und E-Commerce explodierte Ende der Neunziger quasi über Nacht und versprach auch blutigen Busineß-Anfängern den ganz großen Reichtum in Windeseile. Alles, was man brauchte, waren eine Idee und ein paar Investoren. Wie wir mittlerweile wissen, platzte die New-Economy-Seifenblase schneller, als man das Wort "Technologiewerteverfall" buchstabieren konnte, und diese Entwicklung wird von der Dokumentation "Startup.com" geradezu exemplarisch nachvollzogen. Zeitraum der Handlung: Mai 1999 bis Jänner 2001.
Die wahre Geschichte: Die langjährigen Freunde Kaleil Isaza Tuzman (29) und Tom Herman (30) entwickeln ein Konzept, wie man Strafzettel online rund um die Uhr zahlen kann, gewinnen damit einen Preis und gründen die gemeinsame Dotcom-Firma govWorks.com. Die Idee ist vielversprechend, Finanziers finden sich, und das Unternehmen wächst rasch auf über 250 Angestellte. Während die zwei aber eben noch mit Bill Clinton auf einer New-Economy-Konferenz smallgetalkt und von der Titelseite eines Branchenmagazins gelacht haben, stellen sich bald die Probleme ein - mit der Technik, der Umsetzung der Website und mit ausgebufften Busineß-Profis, die mit Millionen-Dollarbeträgen jonglieren. Dazu kommen natürlich jede Menge private Sorgen. Im Arbeitsstreß vernachlässigen die beiden Jungunternehmer Kind, Frau und sämtliche Freundinnen, liegen sich, weil charaktermäßig verschieden, immer öfter in den Haaren, bis der Streit eskaliert und Tuzman seinen Freund und Geschäftspartner von Sicherheitsleuten aus dem Büro werfen läßt. Dazwischen liegen noch ein Einbruch, verschwundene Files und der Geruch von Sabotage. Schließlich kommen der Crash und das vorprogrammierte Ende: Konkurs, Verkauf der Firma, Geld und Freundschaft futsch. Und wir lernen, daß das Leben manchmal auch keine besseren Drehbücher schreibt als Hollywood: Geld und Macht korrumpieren eben immer wieder Ideale, Freundschaft und zwischenmenschliche Werte - und im Big Busineß schlucken große Haie gerne kleine Fische.
Die Dokumentarfilmerinnen Chris Hegedus, D. A. Pennebaker ("The War Room") und Ex-MTV-Produzentin Jehane Noujaim - eine frühere Mitbewohnerin Tuzmans - folgten den beiden über ein Jahr lang auf Schritt und Tritt vom Meeting bis in Wasch- und Fitneßraum. Aus 400 Stunden Material haben sie 25 Fassungen geschnitten, und die vorliegende ist leider nicht ganz die beste: Im Einsatz sind Handkamera und lange statische Einstellungen für den authentischen Look und Realismus, allerdings auch stellenweise verwirrende Schnitte. Und trotz kleiner Manipulation zu mehr Dramatik im Freundeskonflikt ist das Ganze bei weitem nicht so glamourös und spannend, wie Hegedus Aussage vermuten läßt, daß die dotcomers damals "fast so etwas wie die Rockstars des New Age" waren. Da stellen sich dann doch leichte antikapitalistische Tendenzen ein - und auch die Frage, ob diese kurze "Ära" (die Doku hätte ursprünglich mit dem geplanten Börsengang enden sollen) unbedingt eine "Chronik" braucht wie ehedem etwa Grunge. Na ja.
Wen´s interessiert: Es gibt ein Happy-End. Heute arbeiten die beiden wieder zusammen und beraten pleite gegangene Internet-Firmen.
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