Wer leicht zu schockieren ist, sollte vom japanischen Film generell lieber die Finger lassen. Doppelt gilt das für "Visitor Q", den neuen Streifen von Miike Takashi, der als einer von sechs Filmen der "Love Cinema"-Reihe für den japanischen Videomarkt erschienen und in Japan nur in einigen wenigen Kinos gelaufen ist.
Kennern des japanischen Films wird Miike Takashi durch Filme wie "Dead or Alive" (siehe EVOLVER-Rezension) und "Audition" (siehe DVD-Review im EVOLVER) sicherlich ein Begriff sein. Die Philosophie des japanischen Regisseurs, durch seine bizarren, teilweise extrem gewalttätigen Bilder den Zuschauer durch sämtliche emotionalen Stadien zu treiben, erreicht mit "Visitor Q" einen neuen Höhepunkt.
Im Mittelpunkt des Films steht ein japanischer Reporter und Familienvater (gespielt von Endo Kenichi) dessen Leben eine bizarre Wendung nimmt, als sich ein junger Mann mehr oder weniger ungefragt in seine zerrüttete Familie drängt. Diese besteht aus einer Tochter, die das Haus bereits verlassen hat und sich als Prostituierte an zahlungskräftige Kunden (in der ersten Szene des Films auch an den eigenen Vater) verkauft; einem jüngeren Sohn, der von seinen Klassenkameraden als Punchingball und Toilette benutzt wird und zum Ausgleich dafür bei jeder Kleinigkeit mit einem Teppichklopfer auf seine Mutter einprügelt; und eben besagter Frau Mama (gespielt von Uchida Shungiku, einer japanischen Manga-Zeichnerin), die aufgrund der zerstörten Familie und des Ekels vor ihrem nicht funktionierendem Körper dem Heroin verfallen ist.
Der Wahnsinn beginnt allerdings erst so richtig, als der seltsame Besucher auftaucht, indem er zunächst dem Vater mit einem Pflasterstein ein paar überzieht. Durch die scheinbar unscheinbaren Handlungen dieses Mannes beginnt sich eine Spirale der Extreme zu drehen, in der der Vater zunächst mit Hilfe seines gedemütigten Sohnes versucht, seine Karriere zu retten, die aber schlußendlich in einer Explosion aus Gewalt, Mord, Leichenschändung und der Melkerei von Brustdrüsen endet.
Miike Takashi zeigt eindrucksvoll, warum japanisches Kino bei Filmfans einen derart hohen Stellenwert besitzt. Unter der oberflächlichen Fassade von Blut und Gewalt lauert ein phantastisches Meisterwerk, in dem der Regisseur mit Bildern spielt und den Zuschauern einen tiefen Einblick in die zerrüttete Seele der japanischen Familie gibt. So unlogisch und krank die Einzelheiten und die kurze Zusammenfassung des Films auch klingen mögen, als Ganzes präsentiert sich der Film in einer wunderbaren Klarheit.
Die DVD kommt direkt aus Japan - und verdient, wie das leider häufig vorkommt, den Namen DVD wirklich nicht. Es handelt sich einfach um eine Kopie des Videotapes, ohne irgendwelche Extras oder Boni. Der Film ist in Japanisch und mit englischen Untertiteln ausgestattet.
Wer einen idealen Einstieg in die Welt des neuen asiatischen Films sucht, ist bei "Visitor Q" gerade richtig. Aber Vorsicht! Das asiatische - und hier vor allem das japanische - Kino besitzt einen hochgradigen Suchtfaktor und sorgt unter anderem auch dafür, daß ein Großteil des Abfalls, der aus Hollywood kommt, noch unerträglicher wird, als dies sowieso schon der Fall ist.
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