Hans Platzgumer, Kopf der famosen Rock-Formation H.P. Zinker, schlägt mit seinem ersten echten Solo-Album einen unerwarteten Haken. Wohin auch immer.
HP ist nicht mehr Innsbrucks größter Sohn in Amerika. HPZ (die Band) dürfte Geschichte sein, Hans ist nach Hamburg gezogen. Schon vor Monaten mehrten sich die Gerüchte, daß "der Platzgumer jetzt Trip-Hop mit deutschen Texten macht". Wahr und falsch. Texte (in Deutsch, soviel "wahr") finden sich nur auf vier von elf Stücken. "Trip-Hop" aber ist ein vollkommen untaugliches Label für den Sound von "Aura Anthropica". H.P. ist nicht mehr Gitarrengott, aber er ist auch nicht "Tricky II". Hamburg, nicht Bristol.
"Aura" ist eine eigenartige CD. Sie erwischt jeden, der die früheren Platten schätzt, auf dem falschen Fuß. Jede Erwartungshaltung wird so gründlich über den Haufen geworfen, daß erstmal mehrere Durchläufe erforderlich sind, um gedanklich das vom Tisch zu wischen, was da mal war. Kein Rock, keine Lautstärke, kaum Gitarren und schon gar keine Liebeslieder mehr. Computer-Loops und Behutsamkeit, Sphärisches und Kiffer-Ästhetik statt Brachial-Riffs und "Sunshine". Tolle Töne, allemal, jenseits jeder modischen Anbiederung. Anders als früher, fürwahr, aber auch anders als alle anderen. HP spielt nach wie vor in seiner eigenen Liga, und er hat vollkommen neue Spielregeln festgelegt. Bei der Musik, bei den Texten.
Die vier Songs ("Dann = Schluß", "Binnenland", Blindes Volk" und "Dreckschwein") verfolgen eine klare Linie: Abrechnung mit der Heimat, dem "Binnenland", wo "man sich schwer tut, die Ferne zu verstehen", einem "die laxe Art schon in die Wiege gelegt" ist, wo "nur lauwarm gekocht wird", jeder "jammert und raunzt" und "Dreckschwein H." die "braune Brut" hinter sich weiß. Bitterböse, angewidert prügelt Platzgumer auf Österreich ein, mitleidslos wird hier eine offensichtlich offene Rechnung beglichen. So weit, so konsequent (und, leider: so weit, so stereotyp).
Was da bleibt, unter´m Strich? Ein wundersames, wunderbares Album, ein Geschenk, wie alles, was so wohlklingend gegen den Strom schwimmt. Über die Texte ließe sich manch interessanter Diskurs führen, aber die Musik entzieht sich jeder Debatte: schlichte Schönheit.