Mit ihrer langerwarteten neuen CD "Homogenic" hat Björk einen (großen) Schritt weiter gemacht. Ihre Stimme, viel Elektronik und sparsam eingesetzte akustische Instrumente schaffen einen wunderbaren, aber zum Teil verstörenden Klanggarten.
"How could I be so immature to think he would replace the missing elements of me? How extremely lazy of me!" (Immature)
Die immer so nymphen-/elfen- oder sonstwas-hafte, auf jeden Fall überirdisch und zeitlos jung wirkende Björk scheint nach bitteren Erfahrungen in den letzten Jahren erwachsen geworden zu sein. Die Reflexion und Überwindung der früheren eigenen Naivität ist auf jeden Fall ein zentrales Thema ihres neuen Tonträgers.
Natürlich hat Björk mit "Homogenic" eine elektronische Platte gemacht, und natürlich hat Björk mit "Homogenic" keine Elektronikplatte gemacht. Zu prägend ist einerseits ihre Stimme, zu vielfältig sind andererseits die verarbeiteten Elemente und akustischen Instrumente, wie etwa Geigen. Nach "Post" ist Björk noch einen Schritt von einem real oder fiktiv existierenden Mainstream weggegangen, sie verlangt beim Zuhören Aufmerksamkeit und Aufnahmefähigkeit für die vielen Zwischen-und Nebentöne.
"I´m so bored of cowards/who say that they want/then they can´t handle/can´t handle love", singt sie und wir können das ruhig programmatisch setzen: Man muß sich auf die Musik, die Stimme und Stimmungen einlassen, die bei aller Schönheit doch vorhandene Verstörtheit nicht auszublenden versuchen. "Thought I could organise freedom/how Scandinavian of me." Selbstreflexion steht an, unterlegt von militärischen Beats, sparsam verwendeten Harmonikaklängen.
In "Hunter" nimmt Björk nicht Abstand von ihren alten Idealen: "I´ll bring back the goods/but I don´t know when" - nur der Zeitraum ihrer Erfüllung wird in die Ferne geschoben, die Revolution zur Permanenz erklärt, und Musik ist das Mittel. Die Klangwelten erscheinen als Zaubergarten in der Tradition der keltischen Sagenwelt. Wunderbar, aber doch auch mit erschreckenden, angstmachenden Gewächsen oder Bewohnern.
Obwohl von der äußeren Struktur ein klassisches Popalbum - zehn Nummern mit durchschnitlicher Spieldauer - funktioniert die gesamte Platte hervorragend als eine Reise mit verschiedenen Stationen. Es gibt kaum Musik, die beim Zuhörer derartig starke optische Assoziationen weckt. Natürlich verstärkt Frau Gudmonsdottir diesen Effekt durch das Artwork des Booklets, bricht ihn aber wieder durch das Cover, auf dem sie als eine Geisha/Buddha-Mischung erscheint. Aus unmöglichen Mischungen ein fesselndes Ergebnis zu erzielen, ist ihre Größe. Sie ist gleichzeitig in und außerhalb von Szenen, steht irgendwie völlig daneben, entdeckt dadurch aber großartige neue, bislang unbekannte Orte. Es lohnt sich, ihr dorthin zu folgen, auch wenn die Wege holprig und verschlungen sind,
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