System Of A Down melden sich nach drei langen Jahren mit "Toxicity" zurück. Zu lange? Nein, denn gut Ding will bekanntlich Weile haben. Also Helm auf, anschnallen und Nichtraucherzeichen beachten - All Systems Go!
Die vier in Los Angeles lebenden Herrschaften armenischer Abstammung haben uns vor drei Jahren ein Debüt beschert, das so manchem die Gehörgänge anständig durchgeblasen haben dürfte. So ähnlich mag es auch einem gewissen Produzenten namens Rick Rubin (u. a. Johnny Cash, Slayer, Beastie Boys) ergangen sein, als er die Band in Johnny Depps Viper Room gesehen und sofort beschlossen haben soll, ein Album mit ihnen zu produzieren. Tatsache ist, daß aus dieser Zusammenarbeit das selbstbetitelte, 1998 erschienene Erstlingswerk wurde, auf dem System Of A Down ihrer Wut über die Ungerechtigkeiten dieser Welt mit solch brutaler und roher Gewalt Ausdruck verliehen, daß sich im Vergleich dazu die meisten der darauffolgenden sogenannten NuMetal-Bands zu einem lauen Windhauch im Wald verflüchtigen.
Die bange Frage, die sich vor dem ersten Durchhören von "Toxicity" stellte: Können die vier Mannen ihr Debüt toppen oder verkommen sie einfach nur zu einem Abklatsch ihrer selbst? Erwartungsgemäß sind die Ingredienzen des giftigen Süppchens zum Großteil dieselben wie auf dem Vorgänger: Serj Tankian wechselt mit seinem Stimmorgan zwischen wütendem Gebrüll, Gekreisch, Falsettgesang, flammenden Reden und balladeskem Pop-Tralala. Ein Novum ist, daß er stellenweise mit Gesangslinien aufwartet, die ein absolviertes Stimm-Coaching bei Mike Patton nicht abwegig erscheinen lassen. Dazu werden einem breiteste Gitarrenwände - zusammen mit Rhythmus- und Stilwechseln - nur so um die Ohren gehauen, und der Schlagzeuger läßt Slipknots gesamte Rhythmusfraktion ziemlich alt aussehen.
Also nichts Neues im Staate System Of A Down? Hört man vorerst bei Zwei-Minuten-Knallern wie "Bounce" oder "Jet Pilot" nicht viele Unterschiede zum ersten Album, so entdeckt man später, daß sich etwas ganz Entscheidendes geändert hat: System Of A Down haben die schönen Melodien für sich entdeckt, und es fällt schwer, sich dem Gänsehautfaktor bei "Aerials" oder dem epischen Titelsong zu entziehen. Auch die erste Single "Chop Suey" kommt mit wunderschönem Gesang daher - gepaart mit Klavier, Akustikgitarre und etwas, das so ähnlich wie Balalaikas klingt. Damit aber keine Irrtümer aufkommen: Im nächsten Moment wird dem geneigten Hörer die volle Metal-Breitseite buchstäblich in die Fresse geschlagen.
Diese Band ist weit davon entfernt, sich ins Reich der schwülstigen Metal-Balladen zu begeben, und obwohl sie sich manchmal ein wenig komisch bemalen, haben System Of A Down mit diesem ganzen NuMetal-Hype nichts zu tun. Sie ziehen ihr Ding durch und haben das fast unmögliche Kunststück geschafft, nach ihrem starken Debüt eine noch abwechslungsreichere Scheibe hinzulegen. Diese Herren sind immer noch ziemlich wütend und singen unter anderem über kleine Kinder, denen Automatikwaffen in die Hand gedrückt werden. Welch illustres Städtchen mit "Toxicity" gemeint ist, dürfte das Cover ausreichend klar machen.
Schön, daß sie zurück sind - und zwar mit einem der bisher besten und kurzweiligsten Metal-Alben dieses Jahres. Selbst nach dem zehnten Durchhören fragt man sich noch: "Was? Schon aus?" System Of A Down verpassen ihren in den letzten drei Jahren aufgetauchten Epigonen einen ordentlichen Tritt in den Arsch und werden die Bagage hoffentlich dorthin verbannen, wo sie hingehört: ins Reich der Bedeutungslosigkeit. Solche Aggressivität und Wut, kombiniert mit Können und guten Melodien, braucht eben keine mit Eishockey- und Clownmasken verkleideten neun Leute auf der Bühne. Und die Band bringt es mit ihrer Aussage auf der hauseigenen Website auf den Punkt: "Our Heritage, Our Politics Are Really Important, But Our Musical Vibe Together Is the Thing." Dem ist nichts hinzuzufügen.
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