Schon immer war Courtney Pine für seine Jazz-Innovationen bekannt. Jetzt hat das spirituelle Saxophon sich die D&B-Szene zum Partner gemacht.
Es ist ein Faktum: die Jazz-Szene war und ist eine amerikanische Domäne. Von dort kommen nach wie vor die maßgebenden Impulse, dort leben die Stars und dort gibt es den profitableren Markt. Nur wenige europäische Jazzmusiker schafften es, in die oberen Stockwerke der Wolkenkratzer vorzudringen und damit ein Zeichen zu setzen, daß sie sich als anerkannte und kommerzielle Künstler etabliert hatten.
Einer dieser ziemlich überschaubaren Gruppe ist Courtney Pine, der Londoner mit dem smoothesten Saxophon zwischen Mailand und New York. Pine aber, der schon mit Legenden wie John Coltrane oder Pharao Sanders verglichen wurde, ist mehr als ein konventioneller Jazzmusiker, er ist ein Bindeglied zwischen der Vergangenheit und der Zukunft des Jazz. Seine Musik folgt dem Motto: Jazz ist Musik, die dir erlaubt, so expressiv und kreativ wie deine Phantasie zu sein. Als einer der ersten verband er Jazz mit Computern, Samplern und DJs (selbst bei Konzerten), ohne jemals Gefahr zu laufen, seine Glaubwürdigkeit als "echter" Jazzmusiker zu gefährden. Für ihn stellt sich das Problem der Identität einfach nicht.
Jetzt ist die logische Konsequenz seines Schaffens zu bewundern: "Another Story - Remixes from Modern Day Jazz Stories and Underground" - eine Remix-CD, zusammengestellt aus Stücken seiner beiden letzen Platten. Man könnte sich jetzt fragen, was an einer CD voller Remixes so aufregend sein soll, aber nur für einen Moment, nämlich bis man sich "Another Story" angehört hat.
Courtney Pine hat für dieses Album die Meister des Drum & Bass um sich versammelt, um mit ihnen den Jazz um eine neue Facette zu bereichern. Und so finden sich beispielsweise Donny Hathaways "Tryin´ Times" oder Billie Holidays ‚Don´t X´Plain´" neben eigenem wie "The In-Sense Song" im nagelneuen Breakbeat-Gewand von Roni Size, 4 Hero, Attica Blues, Peshay usw. Es sind zwar lediglich fünf Stücke (mit insgesamt zwölf Remixes), die in der Zeitgeistfabrik ver- und bearbeitet wurden, der Hörfreude schadet das aber in keinster Weise. Im Gegenteil, der Begriff Remix bekommt eine neue qualitative Komponente, wenn man bemerkt, was Recycling so alles hervorbringen kann (vor allem vor dem Hintergrund der momentanen Schwemme an lustlos hingeworfenen Remixes). So fugenlos wurden die Beatkonstrukte in den fließenden Sound von Courtney Pine eingefügt, als wäre dies immer schon so gewesen.
Wer wissen will, in welche Richtungen sich Jazz wenden kann, sollte nicht an "Another Story" vorbeigehen. Ach ja - verdammt gut klingt die CD natürlich auch.
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