Sündenbock im Drogenkrieg

Wie das Kokain nach Nordamerika kam - diese wahre Geschichte erzählt Ted Demmes "Blow", und in der authentischen Rolle des George Jung läuft Johnny Depp zu alter Größe auf.

Als Kind liebte George Jung (Johnny Depp) seinen Vater (Ray Liotta) über alles; er war ein durch und durch guter Kerl und bemühte sich redlich, seiner Familie ein gutes Leben zu ermöglichen. Dann aber kam Papas Kleinunternehmen in die Krise. In den folgenden dürren Jahren war jedoch nicht das fehlende Geld das wahre Problem, sondern die Unzufriedenheit von Georges Mutter (Rachel Griffiths). Ständig verließ sie die Familie, um immer wieder zurückzukehren, als wäre nichts gewesen. Damals schwor sich der kleine George, niemals an Armut zu leiden, wenn er einmal groß wäre, damit er selbst nicht die Qualen seines Vaters erdulden müsse.

In den 60er Jahren ging George nach Kalifornien. Er lernte die Stewardess Barbara (Franka Potente) kennen - die große Liebe seines Lebens. Mit ihrer Hilfe und einigen illustren Buddies der kalifornischen Hippie-Strand-Gemeinde zog er einen Marihuana-Handelsring auf. Aus Mexiko kam das Weed, und das wurde dann mit riesigen Gewinnspannen in den Nordosten bis hinauf nach New York verscherbelt. Jung wurde reich. Dann aber starb seine Geliebte an Krebs. Und von da an ging´s bergab.

George landete im Gefängnis und kam mit einem Kolumbianer in Kontakt, der ihn schließlich mit Pablo Escobar und dem Medellin-Kartell zusammenbrachte. So wurde aus Mr. Jung jener Mann, der das Kokain in nennenswerten Mengen nach Nordamerika brachte. Die Deals wurden größer, die Waffen schwerer, die Summen gigantischer, die Freunde immer weniger vertrauenswürdig. George heiratete die Kolumbianerin Mirtha (Penélope Cruz), eine konsumgeile Raubkatze. Die schenkte ihm zwar seine über alles geliebte Tochter Kristina, brachte ihm ansonsten aber nur Unglück. Und daran, daß er es sich zum einzigen Lebensinhalt machte, seiner Tochter der beste Vater der Welt zu sein, scheiterte er schließlich - durch eigenes Verschulden zwar, aber auch deshalb, weil in Reagans Drogenkrieg der 80er Jahre Sündenböcke mit keinerlei Erbarmen zu rechnen hatten...

Ted Demme erzählt die wahre Geschichte des George Jung, der noch bis 2014 im Gefängnis schmachten muß, mittlerweile ein gebrochener, alter Mann ist und nicht miterleben darf, wie seine Tochter erwachsen wird, ohne Beschönigungen oder Dämonisierungen als menschliches Schicksal mit vielschichtigen, nachvollziehbaren Motivationen. Penélope Cruz spielt die glaubwürdigste Rolle ihrer bisherigen Karriere, aber vor allem Johnny Depp läuft zu Hochform auf; in letzter Zeit schien er ja schon in der Rolle des Gauloises-rauchenden Zigeuners festgefahren zu sein. Ebenfalls lobend zu erwähnen ist Franka Potentes Hollywood-Debüt - trotz ihrer wenigen Dialogzeilen und Auftritte hinterläßt sie einen rundherum positiven Eindruck. Die restliche Besetzung ist nicht weniger gelungen, und sie hat das Glück, in einem Film spielen zu können, der von der großartig detailverliebten Rekonstruktion der 60er, 70er und 80er Jahre lebt.

"Blow" ist eine spannende Tragödie, die aufgrund ihrer Authentizität umso mehr berührt - ein zeitloses Filmjuwel, strahlend inmitten dieses lahmen Kinosommers.

Vorliegenden Kommentar ansehen

der beste film
(Ein Dealer, 01.08.2005 19:30)